© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/19 / 19. April 2019

Das, was Maria Theresia verblieb
Vom Altvatergebirge über das Oberschlesiche Revier bis zum Olsa-Gebiet: Ein Portrait des kleinen k.u.k. Kronlandes Österreichisch-Schlesien
Erich Körner-Lakatos

Im Frieden von Breslau vom 28. Juli 1742 mußte Maria Theresia Schlesien an Preußen abtreten. Auch alle Blutopfer des Siebenjährigen Krieges nutzten nichts, der Vertrag von Hubertusburg 1763 besiegelte den Status quo. Ein Torso verblieb jedoch bei Österreich: das Fürstentum Teschen, der Großteil der Fürstentümer Neisse, Troppau und Jägerndorf. Dieses nun Österreichisch-Schlesien genannte Gebiet avanciert 1849 zu einem eigenen Kronland. Es besteht geographisch aus zwei Teilen, einem größeren West- und einem kleinen Ostteil, getrennt durch den Mährischen Korridor. Im Westen befinden sich die Bezirke Troppau, Jägerndorf, Freiwaldau, Freudenthal und Wagstadt. Im Osten hingegen die Bezirke Bielitz, Freistadt, Friedek und Teschen. 

Am Rande sei ein historisches Relikt vermerkt: Im Jägerndorfer Raum gibt es mährische Enklaven, die sogar einen Vertreter im Brünner Landtag haben. Es handelt sich hierbei um die Gerichtsbezirke Hotzenplotz und Hennersdorf sowie um einige Gemeinden in den Sprengeln der Bezirksgerichte Troppau und Wagstadt. Die Enklaven unterstehen den schlesischen Gerichtsbehörden, werden von Troppau aus verwaltet, müssen aber eigene Steuerbücher führen, da die Abgaben nach Brünn fließen. 

Zankapfel zwischen Polen und Tschechen nach 1918

Es handelt sich um Lehensgüter des Fürst-Erzbischofs von Olmütz, der nicht nur Sitz und Stimme im Wiener Herrenhaus hat, sondern auch durchaus begütert ist. Sein Jahreseinkommen aus dem Benefizialvermögen beträgt 300.800 Gulden (Stand 1893); ein Pfarrer verdient zu jener Zeit jährlich 600 Gulden, großteils aus der congrua, dem Zuschuß aus dem Josephinischen Religionsfonds. 

Neben der staatlichen (landesfürstlichen) Administration existieren die Organe der autonomen Verwaltung, nämlich Landesausschuß sowie ein nach Kurien gegliederter Landtag, in welchem als Virilist der Fürstbischof von Breslau sitzt. Es ist dies der seltene Fall, daß ein ausländischer Würdenträger kraft seines Amtes Mitglied einer gesetzgebenden Körperschaft ist. 

Was die Bevölkerung anlangt, so ist Schlesiens Westteil überwiegend deutsch besiedelt, der Osten ist polnisch dominiert. Insgesamt halten die Völker in Schlesien bei insgesamt 756.000 Einwohnern (Stand 1910) nachstehende Anteile: 43,9 Prozent deutsch, 24,3 Prozent tschechisch, 31,4 Prozent polnisch. Konfessionell betrachtet herrscht der Katholizismus vor (85 Prozent), dabei ist bemerkenswert, daß drei Viertel der 102.000 Evangelischen Polen sind.

Die Schlesier deutscher Zunge sind als arbeitsamer Menschenschlag bekannt. Im Land gibt es 677 Fabriken (Stand 1910). Im Osten – Teil des großen oberschlesischen Kohlenreviers – birgt der Boden reiche Steinkohlevorkommen (das Kohlenrevier von Karwin mit fünfzehn Gruben und einer jährlichen Ausbeute von 4,5 Millionen Tonnen); hier, im Raum Teschen, ist die Schwerindustrie konzentriert, die Verhüttungsindustrie in Trzyniec produziert 500.000 Tonnen Stahl im Jahr. Aber auch der Nordwesten gehört zu den am stärksten industrialisierten Gebieten der Monarchie. Dort sind weit über dreihundert von 1.000 Beschäftigten in Industrie und Gewerbe tätig, dieser Anteil ist mit Nordböhmen und Wien vergleichbar. 

1918 bedeutet auch für diese Region eine Zäsur: Das kleine Herzogtum, obschon deutsch geprägt, wird zum Zankapfel zwischen Polen und derTschechoslowakei. Ende Januar 1919 kommt es zum sogenannten Sieben-Tage-Krieg, schließlich wird das Gebiet entlang der Olsa geteilt. Im Windschatten des Münchener Abkommens annektiert Polen am 2. Oktober 1938 den bisher tschechischen Teil Schlesiens. Um 14 Uhr dieses Tages übergeben die CSR-Behörden in einem kurzen, frostigen Akt an der Teschener Olsa-Brücke das Land an Warschau. 76.000 ethnische Polen leben nun im Mutterland. Die neuen polnischen Herren machen kurzen Prozeß mit ihren slawischen Brüdern: Alle nach Oktober 1919 zugewanderten Tschechen müssen bis Jahresende 1938 in die Rest-Tschechei übersiedeln.