© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/19 / 19. April 2019

Die Macht des Blutes
Ralph Ghadban über Clanstrukturen unserer muslimischen Parallelgesellschaften
Fabian Schmidt-Ahmad

Offiziell wird Berlin von einem rot-rot-grünen Senat regiert, doch im März wurde wieder einmal deutlich, wer auf der Straße eigentlich das Sagen hat. Rund vierhundert junge Männer trafen sich am Alexanderplatz, auf der einen Seite Anhänger von Bekir aus Stuttgart, auf der anderen von Bahar Al Amood, Mitglied einer Berliner Großfamilie. Vorangegangen war dem ein Ehrenhändel auf Youtube. „Ich arbeite nicht, habe zwei Handys, 190-Euro-Schuhe, eine Prada-Hose und das alles nur mit Drogenverkaufen“, brüllte ein Teilnehmer laut B.Z. Polizisten an, die die Schlägerei auflösten.

Hier wurde die orientalische Parallelgesellschaft auch für Außenstehende faßbar, wie sie sich seit Jahrzehnten in unserer Gesellschaft entwickelt und nun, durch den millionenfachen Zuzug aus der islamischen Welt in den vergangenen vier Jahren, zur kaum beherrschbaren Macht geworden ist. Ihre Hintergründe legt der Politikwissenschaftler Ralph Ghadban in „Arabische Clans“ offen. Der Politikwissenschaftler, 1949 im Libanon geboren, gewährt hier intime Einblicke in eine Welt, die trotz ihrer wachsenden Dominanz und Stärke für die meisten Deutschen noch immer ein Terra incognita ist.

Das liegt auch daran, daß sich hier ein Gemeinwesen mit bedingungsloser Solidarität zum Blut auslebt, „gesellschaftliche Konstrukte“ also, von denen die meisten Deutschen sich völlig entwöhnt haben und deren soziale Mechanismen ihnen fern wie der Mars sind. Keimzelle und Ausgangspunkt von Ghadbans Analyse ist die islamische Großfamilie. Die islamische Welt, so die Einschätzung des Politikwissenschaftlers, hat nie den Gang der europäischen Zivilisation von der Gruppe zum einzelnen vollzogen. Sämtlichen von Europa importierten staatlichen Institutionen ist immer noch das Clansystem unterlegt, welches jederzeit die Macht übernehmen kann.

Deutlich wird diese Konkurrenz bei der Einwanderung in die Freiheitsräume unserer Gesellschaft. „Während der Clan in der Heimat dem Schutz der Gruppe diente, hat er sich heute in Deutschland zu einer kriminellen Organisation entwickelt“, schreibt Ghadban. Diesen Gang zeichnet der Orientalist mit großem Expertenwissen nach. Zugute kommt Ghadban hier die langjährige Leitung der Beratungsstelle für Araber des Diakonischen Werkes in Berlin und die Arbeit als Vertrauensperson in der Justizvollzugsanstalt Tegel, durch die er viele Clanmitglieder persönlich kennenlernte. 

Denn rasch wird deutlich: In dieser Welt, die mehr dem mittelalterlichen Personenverband als unserer durchorganisierten Gesellschaft ähnelt, ist neben der Blutsbeziehung der im persönlichen Kontakt aufgebaute Respekt die wichtigste Währung. Ghadban, der seit 1972 in Deutschland lebt, kann auf einen reichen Erfahrungsschatz zurückgreifen. Akteure, die für Außenstehende nur die Polizeistatistik bevölkern, bekommen nun Gesicht und Platz im Clansystem. Und noch etwas wird deutlich. Selbst jetzt wären die Probleme noch beherrschbar – wenn die Deutschen nicht wieder an sich selbst scheitern würden. 

„Was die Waffe der Justiz stumpf macht, ist neben der Furcht vor Repressalien und dem Desinteresse an einer konsequenten Rechtsverfolgung der Straftat hauptsächlich die Multikulti-Ideologie“, urteilt Ghadban. Angst vor Rassismus-Vorwürfen, viel Verständnis für fremde Kulturen: „Diese Haltung hat sich eingebürgert und ist Standard geworden, deshalb sehen wir Unmengen von Intensivtätern und Wiederholungstätern frei herumlaufen. Unmengen deswegen, weil eigentlich kein einziger hätte entkommen dürfen.“ Mit entsprechenden Opfern, die tagtäglich produziert werden.

Opfer sind zum einen die schwächsten Mitglieder in den Clans, die diesem Ordnungssystem unterworfen sind, vor allem die heranwachsenden Frauen, denen unsere Gesellschaft eine Freiheit für jedermann vorgaukelt, die sie nicht haben können. Ghadban hatte als Sozialarbeiter zahlreiche dieser zumeist unlösbaren Fälle vor sich. Unlösbar nicht zuletzt wegen der Gleichgültigkeit menschlichem Leid gegenüber, die in Wirklichkeit der Multikulti-Ideologie hinterlegt ist.

Und was ist mit der wachsenden Zahl von Deutschen, die zu ausgeraubten, mißhandelten, getöteten Opfern werden? Hier zeigt sich das ganze Potential der Multikulti-Ideologie als „Anti-Clan“: Statt bedingungslose Solidarität kennt sie nur bedingungslosen Haß auf das eigene Blut, auf die eigene Geschichte, Kultur und Tradition. Das ist nicht Folge, sondern Voraussetzung für die sozialen Probleme, die wir heute erleben.

Ralph Ghadban: Arabische Clans. Die unterschätzte Gefahr. Econ Verlag, Berlin 2018, broschiert, 304 Seiten, 18 Euro