© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/19 / 26. April 2019

Salam aleikum, Soldaten!
Bundeswehr: Das Verteidigungsministerium plant, Imame als Seelsorger für muslimische Armeeangehörige anzuwerben
Christian Vollradt

Bald sollen Imame im Auftrag der Bundeswehr muslimische Soldaten seelsorgerisch betreuen. Dies hat auf der jüngsten Sitzung des Verteidigungsausschusses des Bundestags Ressortchefin Ursula von der Leyen noch einmal bekräftigt. Die „schrittweise Erweiterung“ des entsprechenden Angebots in der Truppe steht schon länger auf der Agenda im Bundesverteidigungsministerium – und bereits Anfang des Monats schickte man von dort die Neuigkeiten an die Presse. Da allerdings stand zunächst im Vordergrund, daß es nach fast einhundert Jahren Unterbrechung wieder Militärrabbiner in Deutschland geben soll.

Geplant ist dafür ein – noch zu verhandelnder – Staatsvertrag zwischen Bund und dem Zentralrat der Juden, in dem die Zusammenarbeit zwischen Bundeswehr und der jüdischen Glaubensgemeinschaft rechtlich und organisatorisch festgelegt wird. Gespräche darüber sollen „unverzüglich“ aufgenommen werden. Die Auswahl der Militärrabbiner trifft die Bundeswehr auf Vorschlag des Zentralrats. Voraussetzung für den Dienst sei die gesundheitliche sowie fachliche Eignung und eine Sicherheitsüberprüfung. Die Fachaufsicht in theologischen Dingen hat dann der Zentralrat der Juden, die Dienstaufsicht liegt in den Händen der Bundeswehr. Zunächst rechnet man mit der Einstellung einer „niedrigen einstelligen Zahl“ von Militärrabbinern. Angesichts von laut Verteidigungsministerium rund 300 Soldaten jüdischen Glaubens in der Bundeswehr dürfte damit ein guter „Betreuungsschlüssel“ vorliegen. 

Zum Vergleich: Etwa 53.000 Soldaten gehören einer evangelischen Kirche an, rund 41.000 der römisch-katholischen. Für sie gibt es etwa hundert evangelische und rund 80 katholische Militärpfarrer. Eine institutionalisierte Militärseelsorge für Soldaten anderer Glaubensrichtungen besteht bis jetzt noch nicht. Im Jahr 2015 wurde für sie zunächst eine sogenannte Ansprechstelle im Zentrum der Inneren Führung in Koblenz eingerichtet.

Da Angaben über die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Glaubensgemeinschaft oder zum konfessionellen Bekenntnis bei der Bundeswehr freiwillig erfolgen, liegen keine gesicherten statistischen Daten vor, sondern lediglich Schätzwerte. Danach dienen mittlerweile auch zirka 3.000 Moslems in der Bundeswehr. Doch obwohl diese Gruppe damit zahlenmäßig wesentlich größer ist als die der jüdischen und obwohl es bereits mit der Deutschen Islamkonferenz seit längerem Gespräche über „Bedarf und die Voraussetzungen für die Einführung einer muslimischen Militärseelsorge“ gebe, sei dieser „Prozeß noch nicht abgeschlossen“, teilte das Verteidigungsministerium mit. Denn „mangels einer zentralen Institution, die in Deutschland mit der notwendigen Repräsentativität für die muslimischen Glaubensrichtungen“ spricht, könne „aus rechtlichen Gründen gegenwärtig kein Staatsvertrag  geschlossen werden.“

Auch Orthodoxe könnten künftig Forderungen stellen

So sollen die muslimischen Soldaten statt dessen „feste Ansprechpartner“ bekommen, die ihnen in Glaubensdingen zur Seite stehen. Allerdings werden dies keine Militärgeistlichen sein, sondern Imame, die „über sogenannte Gestellungsverträge an die Bundeswehr gebunden werden“. Voraussetzungen sind: die Betreffenden müssen sicherheitsüberprüft sein, die deutsche Sprache beherrschen und einen in Deutschland anerkannten Universitätsabschluß in islamischer Theologie vorweisen können.

Auf Nachfragen der Abgeordneten, ob es da schon konkrete Kooperationspartner gebe, verwies Ministerin von der Leyen vage auf entsprechende Lehrstühle. Eine akademische islamisch-theologische Ausbildung bieten in Deutschland derzeit die Universitäten Osnabrück, Münster, Frankfurt beziehungsweise Gießen (in Kooperation), Tübingen sowie Erlangen-Nürnberg an. Doch die Bilanz dort fällt ziemlich durchwachsen aus, so eine im vergangenen Jahr erschienene Studie (JF 44/18). Darin ist die Rede von einer teilweise „persönlich und fachlich nur bedingt geeigneten Zielgruppe“. Auch sei die Ausbildung zum Imam bei den meisten Studiengängen an den Islam-Lehrstühlen gar nicht das Ziel. 

Die derzeitige Militärseelsorge in der Bundeswehr steht rechtlich in einem Doppelverhältnis: Auftrag und Aufsicht sind kirchlich, Status sowie Organisation sind staatlich geordnet. Anders als in anderen Armeen, wo – wie in Frankreich, Großbritannien oder den USA – die Geistlichen zugleich Offiziere sind, haben die Militärpfarrer in der Bundeswehr der deutschen Tradition entsprechend keinen militärischen Rang. Sie sind Zivilisten, tragen im Einsatz jedoch die (Tarn-)Uniform und haben als Kennzeichnung ein Kreuz auf der Schulterklappe. Sie sind weder disziplinarisch noch militärisch in die Hierarchie der Truppe eingebunden. Mit Blick auf die größer werdende religiöse Vielfalt in der Truppe stellt sich die Frage, ob nicht auch andere Bekenntnisse berücksichtigt werden müßten. 

So wäre es nur konsequent, wenn das Verteidigungsministerium „auch an die orthodoxen Christen denken würde, die etwa zwei Prozent der Bevölkerung in Deutschland ausmachen“, meint etwa der Bundestagsabgeordnete Jan Nolte (AfD) und verweist auf das weitaus kleinere österreichische Bundesheer, wo es orthodoxe Militärseelsorger gibt. „Gerade weil mit Sergej Motz mindestens ein orthodoxer Christ bereits im Auslandseinsatz gefallen ist, sehe ich die Bundeswehr hier in der Verantwortung, zukünftig endlich eine geistliche Betreuung für orthodoxe Gläubige bereitzustellen“, sagte Nolte der JUNGEN FREIHEIT. 

Das Mitglied im Verteidigungsausschuß diente zuvor selbst als Oberbootsmann bei der Marine und ist russisch-orthodox. Er würde sich daher „sehr freuen, wenn die Bundeswehr hier gemeinsam mit der orthodoxen Kirche ein Angebot schaffen würde.