© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/19 / 26. April 2019

Zweitjobs bringen mehr Geld
Arbeitsmarkt: 3,3 Millionen Erwerbstätige gehen einer ­Nebentätigkeit nach
Mathias Pellack

Wer von einer Arbeit kommt, um zu einer anderen zu gehen, hat nicht immer existentielle Geldnot. Zwei Drittel der Arbeitnehmer, die einem Zweitjob nachgehen, gaben in einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung an, das „lukrative zusätzliche Einkommen“ sei ihnen „wichtig“ oder sogar „sehr wichtig“.

Erst am vierthäufigsten nannten die 545 Befragten zu 53 Prozent „finanzielle Not oder Schwierigkeiten“ als Beweggrund für ihre Wahl einer zweiten oder gar dritten Beschäftigung. Unter den zwölf abgefragten möglichen Gründen erklärten nämlich 58 Prozent „Zusammenhalt und die Kommunikation mit anderen Menschen“ sei ein Grund. Am dritthäufigsten gewählt wurde – und immer noch vor der Geldnot – die „Möglichkeit zur Selbstverwirklichung“ beziehungsweise die „Verwirklichung einer Leidenschaft“ (54 Prozent Zustimmung).

Nach der finanziellen Not folgten  als Gründe die „Erfüllung von Konsumwünschen“ (52 Prozent), die „Möglichkeit, anderen Menschen zu helfen“ (48 Prozent), und die „Möglichkeit einer Weiterbildung“ (32 Prozent). Lediglich 28 Prozent gaben, an keine Vollzeitstelle gefunden zu haben. 21 Prozent fühlten sich in ihrer Haupttätigkeit zeitlich nicht ausgelastet.

Monetäre Not ist demzufolge nicht der häufigste Grund, einer Zweitbeschäftigung nachzugehen, wie auch eine zweite Frage ohne vorgegebene Auswahlmöglichkeiten bestätigt. 45 Prozent wollten „mehr Geld“, nur 20 Prozent gaben an, daß ihr Einkommen ohne Zweittätigkeit zu gering sei. Erklärt werden kann das durch den effektiv höheren Stundenlohn, da der Staat bis 450 Euro Zuverdienst keine Einkommenssteuer und Sozialbeiträge abschöpft. Gleichzeitig schätzen es 64 Prozent der Zweitbeschäftigten, daß sie in der Haupttätigkeit sozialversichert sind. 18 Prozent konnten durch die Nebentätigkeit ihre Sozialversicherung selbst bestreiten. Der Minijob ist als Zweittätigkeit für viele alles andere als ein „mieser Job“, wie es etwa der Geschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, Ulrich Schneider, darstellt.

Die finanzielle Absicherung in der Haupttätigkeit dürfte auch ein Grund sein, warum viele den Zweitjob zur Selbstverwirklichung nutzen. Der Anteil derer, die in ihrer Nebentätigkeit angaben, „Freiberufler“ oder „Selbständige“ zu sein, lag bei 45 Prozent. In den Hauptberufen lag dieser Anteil in der Umfrage bei 15 Prozent. Laut Statistischem Bundesamt waren 2017 aber deutschlandweit nur etwa zehn Prozent aller Erwerbstätigen selbständig. Die Unstimmigkeit könnte eine Folge der Befragungsweise sein. Diese war bei der Böckler-Studie nicht zufällig und muß daher als nicht repräsentativ gelten.

Danach widerspricht die Studie der landläufigen Annahme, daß nur monetär Benachteiligte eine Zweitättigkeit annehmen. Laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) steigt die Zahl der Zweitbeschäftigten seit Jahren. 2017 waren bereits 3,3 Millionen Personen mehrfachbeschäftigt. Davon verdienten 2,7 Millionen 450 Euro oder weniger im Zweitberuf. Seit der Hartz-Gesetz­gebung 2003 hat sich der Anteil der Selbständigen von 4,4 Prozent auf 8,3 Prozent in 2016 erhöht.

Studie zu „Mehrfachbeschäftigungen in Deutschland“ im WSI Report 48/19:  boeckler.de