© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/19 / 26. April 2019

Blick in die Medien
Paris brennt, Mainz pennt
Tobias Dahlbrügge

Um 18.42 Uhr brannte am 15. April der Dachstuhl von Notre-Dame in Paris lichterloh. Um 20 Uhr begann im deutschen Fernsehen die „Tagesschau“. Dort ging es erst mal um Dieselabgase, dann über das Wahlrecht für betreute Menschen. Erst als dritte Meldung kam ein zweiminütiger Hinweis auf die brennende Kathedrale mit europäischer Symbolkraft. Anschließend kein „Brennpunkt“, sondern eine Tierdoku, danach der Plasberg-Talk zur „Fleisch-Frage“. Das ZDF spulte seinen Krimi „So weit das Meer“ herunter, als sei nichts gewesen.

Zur selben Zeit waren Fernsehreporter von BBC, CNN und sogar Russia Today und Al Jazeera live vor Ort und berichteten aktuell über die epochale Katastrophe. Das sorgte nicht nur bei vielen Zwangszahlern für Ärger, selbst Journalistenkollegen schimpften. Die frühere WDR-Fernseh-Chefin Sonia Seymour Mikich fragte auf Twitter: „Warum muß ich CNN oder BBC einschalten? Tagesschau24 ist doch genau dafür da?“ Der frühere Leiter des ARD-Hauptstadtstudios, Ulrich Deppendorf, schrieb, daß es keinen Brennpunkt gab, sei „schwer nachzuvollziehen“.

Fehlende Informationen haben die ARD anderweitig nicht an Sondersendungen gehindert. 

Richtig sauer war NRW-Ministerpräsident Armin Laschet: „Der öffentlich-rechtliche Rundfunk schläft!“, zwitscherte er, und: „Gut, daß Deutschland zur Information Privatsender hat!“

Und die ARD? Chefredakteur und Programmkoordinator Rainald Becker verbat sich Kritik und twitterte pampig zurück: „Das Erste ist kein 24h-Nachrichtenkanal, und Gaffer-TV machen wir auch nicht.“ Alle „derzeit bekannten Informationen“ seien in der Tagesschau „an die Zuschauer weitergegeben“ worden. Mit anderen Worten: Bitte nicht stören, Redakteure verdauen gerade Steuer-Milliarden.

Fehlende Informationen haben die ARD übrigens anderweitig nicht an einer Sondersendung gehindert – zum Beispiel zu angeblichen „Hetzjagden“ in Chemnitz.