© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/19 / 26. April 2019

Wettkampf um Klicks
Im Gegensatz zu Print: Mehrere Medien sind online sehr beliebt / Alternative Angebote holen auf
Ronald Berthold

Die Auflagenzahlen der meisten deutschen Zeitungen kennen fast nur eine Richtung: abwärts (siehe Grafik rechts). Im Gegenzug steigen allerdings die Besuche auf deren Online-Seiten. Die März-Zahlen zeigen einen Aufschwung. Doch obwohl die Steigerungsraten enorm sind, können sie die Verluste der Verlage nicht kompensieren, die sie beim Abonnement und am Kiosk erleiden. Denn Geld wird mit den Online-Angeboten nach wie vor nur wenig verdient; nicht genug jedenfalls, um weiterhin große Redaktionen zu finanzieren.

Der Kostenlos-Kultur, die die Medienhäuser einst selbst etabliert haben, ist kaum beizukommen. Und die Online-Werbung bringt weit weniger Einnahmen als eine Print-Anzeige. Oft hängt der Preis davon ab, ob der Besucher die Anzeige anklickt und darüber noch ein Geschäft abschließt.

Viele Besuche bedeutet nicht gleich viel Geld  

Durchschnittlich steigerte sich die Zahl der sogenannten „Visits“ (Besuche) aller deutschen Nachrichtenportale im vergangenen Monat laut Branchendienst Meedia um fast 17 Prozent. Nicht nur die Marktführer Bild.de, Spiegel Online und Focus Online erreichten Allzeithochs. An der Spitze bleibt laut der „Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V.“ (IVW) Springers Boulevardblatt mit 482,2 Millionen Besuchen. Fast drei Viertel aller Bild.de-Leser gehen über ein mobiles Endgerät, ein Smartphone oder ein Tablet, auf die Seite. Nur 28 Prozent nutzen dafür ihren Computer.

Mit weitem Abstand folgen die Internetseiten von Spiegel (271,7 Millionen Visits), Focus (193,5 Millionen), n-tv (152 Millionen) und Welt (130,3 Millionen). Auch hier sind es überwiegend Handy- und Tablet-Nutzer – die schnellen Leser, die in der U-Bahn oder beim Warten an der Supermarktkasse flüchtig nach den neuesten Nachrichten schauen und deshalb mit dem Zeitungsleser nur bedingt vergleichbar sind. Für den März 2019 veröffentlichte die IVW Zahlen von 1.618 geprüften Online-Angeboten.

Das liberalkonservative Magazin Tichys Einblick erreichte mit 2,67 Millionen Besuchen ein beachtliches Publikum. Die „Achse des Guten“ (achgut.com) liegt laut IVW bei 3,64 Millionen. Allerdings werden bei diesen Medien – genau wie bei der JUNGEN FREIHEIT (2,59 Millionen) – nur die Zugriffe über PCs und Klapprechner, nicht jedoch über mobile Endgeräte gezählt, die die Visits bei den anderen in die Höhe treiben. Zum Vergleich: Jakob Augsteins Der Freitag (ebenfalls nur PC-Nutzung) hinkt mit 793.500 deutlich hinterher. 

Andere alternative Medien wie „Jouwatch“ lassen ihre Zahlen nicht prüfen. Daher liegen hier keine vergleichbaren IVW-Werte vor. Auf Anfrage der JF teilte journalistenwatch.com mit, daß es laut Zählung von Google Analytics im März 6,6 Millionen Seitenaufrufe registriert habe. „Visits“ werden den Machern der Nachrichtenseite nicht angezeigt, so Chefredakteur Max Erdinger. Vergleicht man bei den IVW-Zahlen Besuche und Seitenaufrufe, liegen diese sogenannten „Page Impressions“ durchschnittlich etwa viermal so hoch wie die „Visits“. „PI-news“ und „Philosophia Perennis“ ließen unsere Anfragen diesbezüglich unbeantwortet.

Mit den Stichwörtern „Seitenaufrufe“ und „Visits“ ist ein Teil des Chaos angerissen, der sich bei der Ermittlung der Online-Reichweiten ergibt. Zuweilen werden die Begriffe unterschiedlich definiert und bei verschiedenen Rankings zum Teil auch verwechselt. Üblicherweise gilt ein „Visit“ als der Besuch einer Netzseite, der mehrere Seitenaufrufe umfaßt. Beispiel: Wenn Sie die Seite JUNGEFREIHEIT.de aufrufen und vier Artikel anklicken, gilt das als ein „Visit“, bei dem Sie vier „Page Impressions“ hinterlassen haben. Wären Sie im März jeden Tag einmal auf JF Online gegangen, hätte die Statistik Sie also mit 31 „Visits“ und bei vier gelesenen Texten mit 124 „Seitenaufrufen“ erfaßt.

Begriffe oft nicht einheitlich

Um die Verwirrung zu vervollständigen, gibt es noch eine Statistik, die die sogenannten Interaktionen der Nutzer auf sozialen Netzwerken mit den Internetseiten zählt. Ganz vorn liegt im März mit unverändert 8,7 Millionen Likes, Kommentaren und geteilten Inhalten auch hier Bild.de. Aber schon dann folgt der Bezahlsender Sky (7,7 Millionen) und das Fußball-Portal kicker.de (7,1 Millionen). Besonders auffällig: Die Seite der „Tagesschau“ machte in dieser Kategorie im vergangenen Monat einen Sprung um 43, das ZDF um immerhin 24 Prozent. Beide werden von IVW nicht geprüft, liegen bei den Nutzerreaktionen jetzt jedoch auf den Plätzen vier und fünf. 

Diese Zunahme muß jedoch nicht als Ausweis von Popularität gelten. Es kann genauso bedeuten, daß sich die Besucher vermehrt über Beiträge oder Moderationen beschwert haben.