© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/19 / 26. April 2019

Skrupellosigkeit war gar nicht sein Prinzip
Ein verkannter Politiktheoretiker: Vor 550 Jahren wurde Niccoló Machiavelli in Florenz geboren
Jürgen W. Schmidt

Am 3. Mai 1469 kam Niccoló Machiavelli als drittes Kind des Florentiner Notars Bernardo Machiavelli in Florenz zur Welt. Er entstammte einer alteingesessenen, republikanisch gesinnten Bürgerfamilie, welche sich nicht durch sonderlichen Reichtum auszeichnete. Seit Beginn des 14. Jahrhunderts bekleideten die männlichen Mitglieder der Familie in Florenz höhere und mittlere Beamtenposten. Auch Niccoló Machiavelli sollte keine Ausnahme machen. 

Über seinen Bildungsweg ist kaum etwas bekannt. Aus den erhaltenen Tagebüchern des Vaters geht nur hervor, daß er trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten seinem Sohn die Einführung in die studia humanitatis ermöglichen konnte. Im Geburtsjahr von Niccoló  trat Lorenzo der Prächtige aus der Familie Medici die Herrschaft über Florenz an. Die Stadt blühte unter ihm auf und Florenz gehörte eine Zeitlang zu den vier mächtigsten Staaten auf italienischem Boden. Doch nach Lorenzos Tod gerieten Staat und Stadt in eine politische, wirtschaftliche und religiöse Krise. 

Der junge Machiavelli erlebte hautnah das Treiben eines religiösen Eiferers, des Dominikanermönches Girolamo Savonarola mit. Schließlich wurde Savonarola am 29. Mai 1498 auf dem Scheiterhaufen verbrannt und die Anhänger der Medici mußten ihre Plätze in städtischen Behörden räumen. Zu den jungen Neuaufsteigern gehörte auch Niccoló Machiavelli. Keine vier Wochen nach dem Tod von Savonarola wählte der „Große Rat“, die Bürgervertretung von Florenz, den 29jährigen zum Vorsteher der militärischen Angelegenheiten und zum Leiter der außenpolitischen Beziehungen der Stadt. 

Machiavelli war ein früher Anhänger des Volksheeres

Ab sofort hatte Machiavelli eine der wichtigsten politischen Funktionen der Stadt inne und mußte mühsam das städtische Wohl gegen den Intimfeind Pisa verteidigen. Lange Jahre bemühte er sich im Dienste von Florenz Söldnerheere aufzutreiben und den zahlungsunwilligen Bürgern Steuern dafür abzuknüpfen. Eine wichtige Lehre aus seiner militärischen und politischen Tätigkeit war für ihn folglich, daß nur ein Volksheer aus selbstbewußten Florentiner Bürgern deren politische und militärische Interessen verwirklichen könne. 

Am 21. Mai 1509 nahm das von Machiavelli geschaffene Florentiner Volksheer die Stadt Pisa ein und man ordnete das Machtgefüge in Oberitalien neu. In Zusammenhang mit seiner militärischen und politischen Tätigkeit wurde Machiavelli von Florenz immer wieder als Gesandter verwandt, unter anderem reiste er mehrfach zu Verhandlungen nach Frankreich, nach Rom, aber auch nach Tirol, um hier die Absichten und die militärische Stärke Kaiser Maximilians I. auszukundschaften. Machiavelli stellte hier unter anderem fest: „An der Macht der Deutschen darf niemand zweifeln; denn es hat Überfluß an Menschen, Reichtümern und Waffen …“ In Rom hingegen lernte er den Renaissancefürsten Cesare Borgia, Sohn des Papstes Alexander VI. kennen, der für ihn das Vorbild eines machtbewußten „Fürsten“ wurde, wie er ihn in seiner späteren Schrift „Il Principe“ (Der Fürst) darstellte. Doch bevor Niccoló Machiavelli zu einem der weltweit meistgelesenen politiktheoretischen Schriftsteller wurde, mußte er einen ganz herben Karriereknick verkraften. 

Im August 1512 kamen im Rahmen eines Umsturzes in Florenz wieder die Medici an die Macht und die republikanischen Jahre der Stadt endeten. Kurz darauf wurde Machiavelli aller innegehabten Ämter enthoben und im Frühjahr 1513 sogar wegen angeblicher Verschwörung verhaftet und mehrfach gefoltert. Anschließend verbannte man ihn aus Florenz. Machiavelli bezog ein kleines Landgut der Familie und betätigte sich nunmehr als Komödiendichter, Reimchronist sowie als Verfasser staatstheoretischer Schriften. „Der Fürst“ ist sein bekanntestes Werk dieser Art. 

Jedoch verkannte man häufig seine Intentionen. Er wollte damit eben nicht skrupelloses politisches Handeln ohne jedwede Moral, eben „Machiavellismus“, propagieren. Vielmehr ging es Machiavelli darum aufzuzeigen, wie man ein politisch festgegründetes Staatswesen, sei es nun Republik oder Monarchie, schaffen könne. Zwar steht hierbei am Anfang der reine machtpolitische Erfolg. Doch dieser Erfolg soll nicht das Endziel, sondern erst der Anfang eines freiheitlich geordneten Gemeinwesens sein. Nicht in der Tyrannis, sondern in der Gemeinschaft freiheitsbewußter Staatsbürger, deren ureigene Interessen mit denen des Staates zusammenfallen, sah Machiavelli das letztliche Ziel von Politik. Mit 58 Jahren ist Machiavelli in Florenz als einer der bedeutendsten Söhne der Stadt verstorben.