© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/19 / 26. April 2019

Libertäre Alternative
Kinderbuchreihe: Die Tuttle-Zwillinge machen Timur und seinem Trupp den Garaus
Christian Dorn

Im Sozialismus war an weltanschaulicher Erziehungsliteratur kein Mangel. „Timur und sein Trupp“ des sowjetischen Jugendschriftstellers Arkadi Gaidar etwa erfuhr sogar 2003 eine Neuauflage. Und auch heute scheint der deutsche Markt bei Kinderbüchern Fehlanzeige, wenn es darum geht, wirtschaftliche Grundsätze und die Philosophie der Freiheit zu vermitteln. Diese Leerstelle hat der Ökonom und Musikwissenschaftler Enno Samp im eigenen Auftrag – mit Blick auf seinen eigenen Sohn – in eine „Lehrstelle“ verwandelt. Seit 2017 übersetzt und vertreibt er die aus den USA stammende libertäre Kinderbuchreihe der „Tuttle Twins“. Da die gegenwärtigen Kindersach- oder Kindererklärbücher durch politische Korrektheit dominiert würden, „von einer Idealisierung der Polizei, der EU und des Euro über die menschenverursachte drohende Klimakatastrophe bis zur Migration“, die beinahe schon an „Kindesmißbrauch“ grenze, will Samp mit den „Tuttle-Zwillingen“ einen libertären Kontrapunkt setzen. Spätestens mit Blick auf die säkulare Religion der Klimarettung und dem jüngsten Phänomen des Schulboykotts („Fridays for Future“) steht diese Notwendigkeit wohl außer Frage. 

Das Prinzip der Buchreihe, die sich vor allem an Kinder im Alter von 5 bis 10 Jahren richtet, ist es, in jedem Band die Kernaussage eines Klassikers der libertären Literatur vorzustellen. So sollen auf unterhaltsame Weise die Prinzipien von Marktwirtschaft, Freiheit und Selbstverantwortung vermittelt werden – ein Ansinnen, das Wirtschaftsphilosoph Gerd Habermann, Vorstand der Friedrich A. von Hayek-Stiftung, „sehr verdienstvoll“ findet. Autor der Serie ist Connor Boyack, ein Mormone, der zugleich Präsident des von ihm 2011 gegründeten libertären Thinktanks „Libertas Institute“ ist, das sich in seiner politischen Arbeit auf den Bundesstaat Utah konzentriert. 

Indes eignet den einzelnen Büchern mit ihren freiheitlichen Denkansätzen zu Recht ein universeller Anspruch. So etwa im Titel „Die Tuttle-Zwillinge und das Ungeheuer von Jekyll Island“, das beispielsweise der Haushalts- und Finanzexperte der AfD-Bundestagsfraktion Peter Boehringer in seinem Vi-deo-Blog ausdrücklich lobte, denn es sei „auch gut lesbar für etwas begriffsstutzige Zentralbanker, Verfassungsrichter oder auch Mitarbeiter im BMF“. 

Vorbilder sind Klassiker der Wirtschaftsliteratur

So bedeuteten „Eurorettung“ und „Geldsozialismus“ einen eklatanten „Verfassungsbruch“, um schließlich anzufügen: „Wo ist der Verfasssungs-schutz, wenn man ihn mal wirklich braucht?“ Auch hier eilen die Tuttle-Zwillinge zur Hilfe, widmete sich doch der erste Band der Reihe dem Gesetz. 

Während sich Jekyll Island – über „ein Ungeheuer, das uns alle bestiehlt“ – auf ein Buch von G. Edward Griffin („Die Kreatur von Jekyll Island“) bezieht und in die Begriffe „Fiat-Geld, Inflation, Tausch, Tauschmittel, Wirtschaft, Zentralbank“ einführt, rekurriert der erste Band über das „Gesetz“ auf dem gleichnamigen Titel des französischen Ökonomen und Politikers Frédéric Bastiat (1801–1850), den etwa Margaret Thatcher bei einem Frankreichbesuch zu ihrem Lieblingsökonomen erklärte (www.bastiat.de). 

Nicht weit entfernt erscheint hier das Augustinus-Wort, mit dem Papst Benedikt XVI. in seiner Bundestagsrede 2011 den Abgeordneten ins Gewissen redete: „Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande.“ Entsprechend hilfreich sind bei diesem Titel die am Ende vorgestellten Zitate Bastiats. Darüber hinaus sind alle Bücher didaktisch aufbereitet mit entsprechenden Arbeitsheften im PDF-Format, die Aufsatzthemen, Diskussions- und Projektvorschläge enthalten. Ab dem 24. April ist der neueste fünfte Band, „Die Tuttle-Zwillinge auf der Suche nach Atlas“, als Taschenbuch im Libertas Press Verlag erhältlich. Basis ist der Roman „Atlas Shrugged“ („Der Streik“) von Ayn Rand, der die Bedeutung der Leistungsträger betont.

Die idealtypischen Illustrationen des Zeichners Elijah Stanfield, der bereits 2012 einige Werbevideos für die Präsidentschaftskandidatur von Ron Paul produziert hatte, sollten den Leser dabei nicht irritieren, auch wenn sie ein wenig an die schlichte Dichotomie der Bildhefte bei den Zeugen Jehovas erinnern, die manchmal etwas holzschnittartig die jeweilige Theorie herunterbrechen, so in der Geschichte vom „wunderbaren Bleistift“ in Band zwei. Lockt doch die konkrete Geschichte der ältesten Bleistift-marke Koh-I-Noor hier zum partiellen Widerspruch. Doch sei’s drum: Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil.