© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/19 / 03. Mai 2019

Schon rechts, weil man für Ordnung ist?
„Verlorene Mitte“: Eine zweifelhafte Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung steht in der Kritik
Karsten Mark

Sozialwissenschaftler schlagen Alarm: Die politische Mitte ist uns „verlorengegangen“; in unserer Gesellschaft herrschen „feindselige Zustände“. Die Deutschen streben immer mehr zu den politischen Extremen – vorzugsweise nach rechts zu den „Rechtspopulisten“. Schon wieder, wird sich manch aufmerksamer Nachrichtenleser fragen. Gab es genau diese Warnung nicht erst kürzlich? Und in der Tat ist es noch kein halbes Jahr her, daß die Leipziger Sozialpsychologen Oliver Decker und Elmar Brähler in ihrer „Autoritarismus-Studie“ warnten: Die „Mitte der Gesellschaft“ zeige eine „Flucht ins Autoritäre“ (JF 47/18). 

Deutsche würden weiter nach rechts driften

Nun sind es Sozialwissenschaftler der Universität Bielefeld, die mit ihrer „Mitte-Studie“ zu sehr ähnlichen Befunden gelangen. Verwundern kann das eigentlich nicht: Bis 2012 war die „Mitte-Studie“ ein gemeinsames Projekt der Leipziger Sozialwissenschaftler und der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) als Geldgeber. Dann trennten sich die Wege: Die FES suchte sich neue Forscher für ihre weiterhin als „Mitte-Studie“ bezeichnete Langzeitbeobachtung. 

Die Leipziger Forscher verschoben in feinen Nuancen die Stoßrichtung ihrer Umfrage, nennen sie seither „Autoritarismus“-Studie und lassen sich von der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung sowie von der IG Metall finanzieren. Geblieben ist das gemeinsame theoretische Fundament der Erhebungen: die Theorie vom „Extremismus der Mitte“, der zufolge der Faschismus in der sozioökonomischen Mittelschicht beheimatet ist.

Entsprechend gehen auch die Warnungen der neuesten Studie vor allem in eine Richtung: Die Deutschen driften bedenklich nach rechts. Asylbewerber, Juden, Muslime, Zugewanderte stießen in Deutschland auf „menschenfeindliche Vorurteile“. „Die Zahl derjenigen, die sich abwertend über asylsuchende Menschen äußern, war mit 54,1 Prozent so hoch wie nie seit 2011“, lautet einer der zentralen Befunde. 2014 hatten sich noch rund 44 Prozent der Befragten negativ über Asylsuchende geäußert, 2016 waren es 49,5 Prozent. Die Fragestellung allerdings, die die Forscher auf „Abwertung“ und gar „Menschenfeindlichkeit“ schließen läßt, erscheint weder sonderlich objektiv noch zwingend logisch. Wer etwa nicht befürwortet, daß der Staat bei der Prüfung von Asylanträgen „großzügig“ sein sollte, oder wer die Ansicht vertritt: „Die meisten Asylbewerber werden in ihrem Heimatland gar nicht verfolgt“, betreibt nach den Definitionen der Sozialwissenschaftler bereits „Abwertung“ und hegt „Vorurteile“. Daß die geringen Anerkennungsquoten von Asylbewerbern letztere Aussage durchaus als Tatsache nahelegen, findet in der Studie keine Berücksichtigung. 

So ließen denn Kritiker auch nicht lange auf sich warten. Der Mainzer Politikwissenschaftler Jürgen Falter etwa sagte der Bild-Zeitung: „Die Studie zeigt nicht nur rechte Tendenzen in der Gesellschaft, sondern auch die Vorurteile derer, die sie durchführten und interpretierten.“ Ihnen sei es eindeutig um „Effekthascherei“ und „Medienwirksamkeit“ gegangen. 

Die offensichtlichen Widersprüche zwischen Fragestellung und Auswertung führten dieses Mal sogar dazu, daß das öffentlich-rechtliche Fernsehen die Seriosität der Studie in Frage stellte. Moderator Claus Kleber fragte die an der Studie maßgeblich beteiligte Psychologin Beate Küpper im ZDF-„heute journal“: „Bin ich schon rechts, weil ich für Recht und Ordnung bin?“ Mit der ausweichenden Antwort Küppers gab er sich nicht zufrieden und hakte nach – was der Fernsehzuschauer allerdings nicht mehr zu sehen bekam. Das vor der Sendung aufgezeichnete Interview wurde für die Ausstrahlung gekürzt, war aber immerhin im Internet verfügbar.

Sogar Sozialdemokrat Sigmar Gabriel ließ an der Studie der FES kein gutes Haar: „Offenbar wollten die Autoren der Studie bereits feststehende Meinungen bestätigen, dafür haben sie die Ergebnisse der Umfrage entsprechend interpretiert.“ 86 Prozent der Deutschen hätten sich in der Befragung schließlich zur Demokratie bekannt, 80 Prozent zu Europa. Da hätte man die Leute nicht in die rechte Ecke stellen sollen, findet Gabriel. „Man hätte die Deutschen dafür loben müssen“, zitiert ihn die Bild-Zeitung.

Küpper ist Mitglied der Amadeu-Antonio-Stiftung 

Zugleich werden „harte rechtsextreme Einstellungen“ der Studie zufolge wie in den Vorjahren nur von einer Minderheit von weniger als drei Prozent geteilt. Auch rechtspopulistische Einstellungen hätten seit 2014 nicht zugenommen, geben die Bielefelder Wissenschaftler zu. Inwieweit sie überhaupt der FES nahestehen, ist in diesem Kontext noch eine andere Frage. Beate Küpper jedenfalls fungiert aktuell als Vorsitzende des Stiftungsrats der dunkelroten Amadeu-Antonio-Stiftung. Ihr Mitverfasser Andreas Zick ist einer ihrer Vorgänger in diesem Amt.