© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/19 / 03. Mai 2019

Frust an der Förde, Ärger vor der Alb
Streit in der AfD: Im Norden bläst die Partei die Vorstandsneuwahl kurzfristig ab / Im Südwesten zürnt die Basis mit der Landtagsfraktion in Stuttgart
Christian Vollradt

Up ewig ungedeelt“ lautet der Wahlspruch Schleswig-Holsteins. Doch die AfD im Land zwischen den Meeren erscheint alles andere als ungeteilt – und ungewiß ist, ob sie auf ewig ohne Vorsitzende(n) bleibt. Denn eigentlich wollten die Parteimitglieder im hohen Norden einen neuen Vorstand wählen. Seit Ende vergangenen Jahres ist der Spitzenposten verwaist, nachdem die bisherige Vorsitzende Doris von Sayn-Wittgenstein ihr Amt niedergelegt hatte. Gegen sie war ein Parteiausschlußverfahren eingeleitet worden, weil sie – so der Vorwurf – für den vom Verfassungsschutz Thüringen als rechtsextremistisch eingestuften „Verein Gedächtnisstätte“ geworben haben und dort auch Fördermitglied gewesen sien soll. Der Verein steht auf der Unvereinbarkeitsliste der AfD. 

Kurz vor dem geplanten Parteitag verkündete der stellvertretende Parteichef Bruno Hollnagel dann überrauschend die Absage. Begründung: Der Wirt des Gasthofs in Oldenbüttel im Kreis Rendsburg-Eckernförde, in dessen Gasthaus die Partei tagen wollte, hatte den Mietvertrag einseitig gekündigt. Nachdem der ursprünglich geheimgehaltene Tagungsort öffentlich gemacht worden sei, habe er Anrufe von Leuten erhalten, die ihn zur Kündigung aufgefordert hätten. Verständlich für jemanden, der ein reetgedecktes Haus sein eigen nennt.

Doch die kurzfristige Absage stößt innerhalb der Partei auch auf Unverständnis. Das alles wäre vermeidbar gewesen, hätte die Veranstaltung wie frühere Parteitage im Bürgerhaus in Henstadt-Ulzburg stattgefunden, ist etwa Fraktionschef Jörg Nobis überzeugt. Parteivize Hollnagel betont, man sei verpflichtet, die Parteitage an verschiedenen Orten im Land stattfinden zu lassen. Die Absage sei „leider, leider aus reinem Formalismus“ erfolgt, denn auch eine Verlegung hätte vier Wochen zuvor mitgeteilt werden müssen, so Hollnagel gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. Ihm sei es am liebsten, wenn es so schnell wie möglich einen außerordentlichen Parteitag gebe, auf dem dann nur der neue Landesvorstand gewählt werde. Seiner Kenntnis nach planten derzeit sieben Kreisverbände, einen entsprechenden Antrag zu stellen.

„Die Stimmung an der Basis kocht“

Am Montag – also genau nach dem Wochenende des abgesagten Parteitags, – urteilte das Landesschiedsgericht in Sachen Wittgenstein: Der „Verlust der Parteimitgliedschaft“ werde abgewiesen, so die Entscheidung der Juristen, da „kein Indiz auf ein rechtsextremistisches oder nationalsozialistisches Gedankengut“ vorliege, zitiert der Spiegel aus dem Urteil. Sowohl Wittgenstein als auch ihre innerparteilichen Gegner hatten mit diesem „Freispruch“ gerechnet. Letztere verwiesen darauf, daß die Parteijuristen Anhänger der Ex-Vorsitzenden seien. 

Hinter den Kulissen brodelte schon vor diesem Urteil die Gerüchteküche. Will Doris von Sayn-Wittgenstein noch einmal für den Landesvorsitz antreten? Sie selbst blieb bis dahin im ungefähren. Ihre Gegner vermuten: sie will. Dann käme es zum Duell mit Christian Waldheim, der vor dem Wochenende des abgesagten Parteitags der einzige war, der seine Kandidatur offiziell angekündigt hatte und bewußt auf Abstand zur vorherigen Amtsinhaberin ging (siehe Interview). 

War der Parteitag also bewußt nach Oldenbüttel gelegt worden, um einen Vorwand für die Absage liefern zu können? Wollten die Anhänger der Ex-Vorsitzenden den „Freispruch“ des Schiedsgerichts abwarten, der eine Kandidatur Wittgensteins ermöglichen würde? Bis in die Spitze der Bundespartei drang das entsprechende Gerücht, mit dem sich freilich niemand offen zitieren lassen wollte. Und bleibt der Bundesvorstand nun bei seiner – angeblichen – Zusage, das Verfahren gegen Wittgenstein auf jeden Fall in die nächste Instanz vor das Bundesschiedsgericht zu bringen? Bis Redaktionsschluß lag noch keine Äußerung dazu vor. 

Als wären das nicht genug Mißlichkeiten, sorgen interne Verwerfungen bei der AfD auch im Südwesten der Republik wieder einmal für Schlagzeilen. „Die Stimmung an der Basis kocht“, hört man dort aus Parteikreisen. Zur anstehenden Kreissprechertagung wird ordentlich mobilisiert, denn dort dürfte es hauptsächlich um das Schicksal von Landesvorstandsmitglied Dieter Amann gehen, der zur Zielscheibe innerparteilicher Widersacher – vor allem aus den Reihen der Landtagsfraktion – geworden ist. Amann, der lange Jahre als Beamter im Landratsamt von Karlsruhe tätig war, ist seit 2016 Parlamentarischer Berater der AfD-Fraktion für Inneres, Recht, Justiz, Asyl und Migration. Jeder Landtagsfraktion steht ein Stab von (beamteten) Fachleuten des parlamentarischen Beratungsdienstes zur Verfügung.

Die Protokolle der jüngsten Vorstandssitzungen der baden-württembergischen AfD verzeichnen nun den Passus „bei Stimmverzicht Amann“. Denn in der Fraktion hatte der frühere Co-Fraktionssprecher Emil Sänze am 19. März den Antrag gestellt, die Tätigkeit Amanns in der Landtagsfraktion zu beenden. Begründung: eine drohende „Verquickung von Dienststellung mit dem Amt in der Partei“ sowie „die ernste Gefahr von Loyalitätskonflikten“. Amanns oberste Dienstherren als Landesbeamter seien schließlich Landtagspräsidentin Muhterem Aras und Ministerpräsident Winfried Kretschmann (beide Grüne). Amnan unterliege, so Sänze, weiter der Disziplinargewalt und den Weisungen seiner Dienstherren. Weil der Beamte als parlamentarischer Berater von der Fraktion bezahlt wird, setze sich die Fraktion dem Vorwurf aus, „ihr haushaltsmäßig zugewiesene Ressourcen würden sachlich oder personell für Zwecke der Partei verwendet“. 

Ein juristisches Gutachten der Fraktionsführung, das der jungen freiheit vorliegt, kam zwar zu dem Ergebnis, daß keinerlei rechtliche Hindernisse gegen eine Tätigkeit Amanns bestünden und für seine Tätigkeit nur „die unmittelbaren Vorgesetzten, also die Fraktionsführung“, weisungsbefugt sei. Im übrigen könne ihm die Ausübung eines Parteiamtes, „das außerhalb der dienstlichen Tätigkeit ausgeübt wird, auch nicht untersagt werden“. Dennoch beschloß die Mehrheit der Fraktion: Entweder beende Amann seine Arbeit für die Fraktion oder er trete im Juni von seinem Vorstandsamt zurück und lasse sein Stimmrecht ruhen.  

In der Fraktion gebe es Leute, die nur noch destruktiv seien und so vor allem den Landes- und Fraktionsvorsitzenden Bernd Gögel treffen und sich für ihre Niederlage beim Parteitag in Heidenheim (JF 10/19) rächen wollten, schäumen Parteimitglieder. Dieter Amann selbst wollte sich auf Anfrage der jungen freiheit unter Verweis auf seine Stellung als Beschäftigter der Fraktion nicht zu dem Fall äußern.