© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/19 / 03. Mai 2019

Anti-EU-Rhetorik zahlt sich aus
Ungarn: Premier Viktor Orbán läßt offen, welcher EU-Fraktion seine Fidesz-Partei beitreten wird
Curd-Torsten Weick

Kurz vor der EU-Wahl erhöht Ungarn den Druck auf Brüssel. So erklärte Außenminister Péter Szijjártó unumwunden, daß Europa neue Führer brauche, die die Interessen der europäischen Bürger erkennen und auch schützen können. Der Fidesz-Politiker reagierte damit auf die jüngsten Bemerkungen von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.

Der Luxemburger hatte im Gespräch mit der Berliner Morgenpost gesagt, daß er sich persönlich gegen Lügen im Europawahlkampf zur Wehr setzen werde. Eindringlich warnte Juncker vor Manipulationsversuchen: „Ich sehe schon den Versuch, die Wahl zum EU-Parlament durch Manipulationen zu beeinflussen. Das kommt aus mehreren Ecken, nicht nur von außerhalb der EU. Es versuchen auch Staaten innerhalb der Union, den Wählerwillen mit ‘Fake News’ in eine bestimmte Richtung zu lenken.“

Als Beispiel nannte der Kommissionschef den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán. Dieser behaupte nicht nur, daß Juncker schuld am Brexit sei, „obwohl die Gegenbeweise erschlagend“ seien. „Die ungarische Regierung behauptet auch, ich sei schuld an der Spaltung von Ost und West in Europa – dabei hat die Kommission alles getan, um diesen Graben zuzuschütten“, so Juncker. Dagegen erklärte Szijjártó, daß das europäische Volk nicht von Juncker gesteuert werden müßte. „Die Europäer wissen genau, was sie wollen, und werden bei den Wahlen im Mai ihre Meinung kundtun.“

Die Fidesz-Regierung streitet seit Jahren nicht nur mit der EU-Kommission um Verfassungsfragen oder Einwanderungspolitik. Auch im Rahmen der langjährigen Partei-Mitgliedschaft in der Europäischen Volkspartei (EVP) knirscht es gewaltig.

Mitte März ließ die EVP-Fraktion verlauten, daß die Mitgliedschaft von Fidesz nach einer Abstimmung mit sofortiger Wirkung (190 Ja-Stimmen, drei Neinstimmen) ausgesetzt werde. Die Aussetzung hat zur Folge, daß Fidesz bei keiner Parteiversammlung mehr anwesend ist, keine Redezeit, kein Stimmrecht und kein Recht hat, Kandidaten für ein Amt vorzuschlagen.

„Die EVP ist eine Partei der Werte, und jedes Mitglied muß sich an die Prinzipien halten, die uns verbinden. Heute hat die innere Demokratie gesprochen“, erklärte der EVP-Vorsitzende Joseph Daul. „Diese Entscheidung wurde nicht auf die leichte Schulter genommen. Als Partei der europäischen Gründerväter und vieler europäischer Erfolge ist und muß die EVP ein Leuchtturm der Werte bleiben. Alle unsere Mitgliedsparteien müssen mit gutem Beispiel vorangehen. Wir können keine Kompromisse bei Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Pressefreiheit, akademischer Freiheit oder Minderheitenrechten eingehen. Und Anti-EU-Rhetorik ist inakzeptabel.“

„Nein, die EVP hat Fidesz nicht suspendiert“, betonte Fidesz-Politiker Zoltán Kovács. In Wirklichkeit sei es Fidesz selbst gewesen, die beschlossen habe, ihre Mitgliedschaft „freiwillig einzufrieren“. Vor diesem Hintergrund warnte der Staatssekretär vor einem weiteren Abdriften der Fraktion nach links. „Die heutige EVP ist nicht mehr die Partei von Helmut Kohl. Sie ist nicht mehr jene starke Partei wie zu der Zeit, als Fidesz der Einladung des seitdem verstorbenen deutschen Kanzlers folgte.“ Sie habe ihre Souveränität verloren und lasse sich „von der Linken auf eine unangemessene Weise beeinflussen“.

Die Zukunft der Beziehungen zur EVP, so Kovács weiter, hänge nun stark davon ab, ob die EVP „weiter nach links taumelt“. Er verwies dabei auf ein Interview mit Premier Orbán, in dem dieser betont hatte, daß er bei den „grundlegenden Werten keine Kompromisse eingehen“ werde. Die Entscheidung, ob Fidesz nach der Europawahl Ende Mai in der Volkspartei bleibe oder nicht, hänge allein davon ab, ob sich die EVP gegen die Einwanderung ausspreche, für den Schutz der christlichen Werte einsetze oder ob sie sich weiterhin nach links verlagere.

Der Kurs der Fidesz-Partei kommt an. Der jüngsten Prognose zufolge errreicht Fidesz 52 Prozent der Stimmen und kann mit 13 Mandaten rechnen.