© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/19 / 03. Mai 2019

Helden der Kindheit: alles Nazis
Moralisten im Säuberungswahn gegen TKKG, Lucky Luke und Fred Feuerstein
Bernd Rademacher

Mit dem frechen Mädchen aus Schweden – nein, nicht Greta, sondern Pippi Langstrumpf – fing es an: Weil ihr Vater Efraim Langstrumpf „Negerkönig“ war, fiel die Kindergeschichte der Zensur anheim. Heute ist der olle Käpt’n „Südseekönig“, bis sich auch davon jemand diskriminiert fühlt beziehungsweise weißes Akademiker-Prekariat meint, daß sich jemand davon diskriminiert fühlen könnte.

„Die kleine Hexe“ von Otfried Preußler wurde ebenfalls schon verfemt. Und die Abenteuer des Huckleberry Finn dürfen Progressive sowieso nur mit bereitgelegtem Defibrillator lesen, ebenso wie die Bilderbücher von den Reisen des Igels Mecki zu den Eskimos (Hilfe!), Chinesen und Indianern.

Originale sammeln wird zum Akt des Widerstands

Auch den jungen Reporter Tim und seinen Hund Struppi traf schon der Bannstrahl der Politischen Korrektheit, unter anderem wegen Antikommunismus (Tim bei den Sowjets) und „Rassismus“ (Tim in Afrika). Selbst der unbeugsame Gallier Asterix, früher als Kämpfer gegen den römischen Imperialismus gefeiert, steht heute für einen grundsätzlich verdächtigen „Nationalismus“. Die spinnen, die politisch Korrekten!

Ganz gefährlich sind übrigens die jungen Detektive von TKKG, die dieses Jahr ihren 40. Geburtstag feiern. Was Tim, Karl, Klößchen und Gaby in ihren Kriminalgeschichten treiben, ist – Sie ahnen es schon – ganz schlimm frauenfeindlich, „bodyshaming“ und besonders rassistisch. Denn, so weiß die taz, die bevorzugte Ermittlungsmethode der aufgeweckten Jugendlichen ist „Racial Profiling“. Das Jugend-Erziehungsorgan des Spiegel „Bento“ warnte sogar: die vier „hätten vermutlich AfD gewählt“. Da schau her, wieder was gelernt. Schockierenderweise scheint das die ignoranten Fans aber nicht zu stören. Ab November gehen TKKG anläßlich ihres runden Jubiläums mit den Originalstimmen auf Deutschlandtour. Also schnell noch einmal anhören, bevor die Sprecher im Gulag landen – die Karten sind bereits im Vorverkauf. Pünktlich zum Ehrenjahr bieten zahlreiche Audio-Streamingdienste die alten Folgen wieder an, und auch ein Spielfilm kommt am 6. Juni in die Kinos. Schlimm, vielleicht finden sich ja mutige Antifaschisten, die die braunen Kinderhorden vor den Lichtspieltheatern abfangen. 

Bald bleibt dem heutigen Erwachsenen kein einziges Idol seiner Kindheit mehr: alles Nazis. Denn die aufmerksamen Verfolger von Haß-Jugendliteratur haben schon die nächsten schlechten Einflüsse aufgespürt und medial dingfest gemacht. Es sind – Sie kommen nicht drauf – Lucky Luke und die Familie Feuerstein. Die Autorin Alena Schröder vom Magazin der Süddeutschen Zeitung entdeckte darin (Überraschung!) „jede Menge Rassismus und Sexismus“. 

Die Schreibkraft hat in einem aufopferungsvollen Selbstversuch festgestellt, daß die Lieblingsserien ihrer Kindheit mit dem „Bewußtsein von heute“ betrachtet furchtbar reaktionäre „soziale Normen“ transportieren. Die Story des Cowboys, der schneller schießt als sein Schatten, „strotzt nur so vor rassistischen und sexistischen Klischees“, auch weil die Indianer (darf man das eigentlich noch sagen?) „Stammestänze aufführen“ – geht ja gar nicht. 

Bei den Feuersteins sieht es ganz übel aus: „Fred Feuerstein und Barney Geröllheimer sind zwei etwas tumbe Männer, die trotz ihrer Mittelmäßigkeit Karriere in einem Steinbruch machen. Ihre beiden deutlich klügeren Frauen Betty und Wilma sind vor allem mit Schlanksein, Shoppen und Haushaltsführung beschäftigt.“ Und wer noch nicht genug hat: Auch Entenhausen müsse als frauenfeindliche Hölle angesehen werden, da Daisy Duck alles andere als emanzipiert sei. 

Schröder hofft, daß wenn ihre Kinder (was für eine reaktionäre und klimaschädliche Einstellung) mal groß sind, sie sich beim Betrachten nostalgischer Kinderserien „darüber wundern, daß man damals Pink für eine Mädchenfarbe gehalten hat, Jungs keine Kleider trugen und die Menschheit nur aus zwei Geschlechtern zu bestehen schien“. 

Seinen Kindern diese Giftschrank-Lektüre zu überlassen ist heute schon ein subversiver Akt des Widerstands gegen Hypermoralisten und PC-Ayatollahs. Man kann nur dringend raten, auf Flohmärkten und Comicbörsen die Originalwerke antiquarisch zu erstehen, bevor sie verboten und verbrannt werden.