© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/19 / 10. Mai 2019

Ländersache: Mecklenburg-Vorpommern
Gute Aussichten, trübe Aussichten
Werner Becker

Wäre Mecklenburg-Vorpommern eine TV-Seifenoper, gäbe es endlich was zu sehen. Gute Aussichten für Manuela Schwesig. Mit dem plötzlichen Rücktritt von Mecklenburg-Vorpommerns Finanzminister Mathias Brodkorb (beide SPD) in der vergangenen Woche hat sie einen Machtkampf in Landespartei- und Landesregierung für sich entschieden. Klar ist: Zwischen der berlinfixierten Schwesig, die nach ihrem Abgang als Bundesfamilienministerin noch immer mit ihrem Bedeutungsverlust hadert, und dem als intellektuell-eigenbrötlerisch verschrienen Brodkorb knirschte es von Beginn an. Beide sind politische Zöglinge des beliebten früheren Ministerpräsidenten Erwin Sellering.

Das Faß zum Überlaufen brachte zuletzt, daß Schwesig gegen den Willen des Hausherren einen Finanzstaatssekretär aus ihrem Umfeld im Ministerium installieren ließ. Ein Affront, den Brodkorb nicht hinnehmen wollte. Er selbst rechtfertigte seinen Rücktritt schmallippig mit dem Satz, er sei „der falsche Finanzminister für Frau Schwesig“. Sein Landtagsmandat will er behalten. Ein klarer Sieg für Schwesig, sollte man meinen.

Doch die SPD-Politikerin hat die Rechnung offenbar ohne den Koalitionspartner CDU gemacht. Die Nordost-Union galt lange Zeit als zahn-, mut- und harmlos. Mit der Übergabe des Landesvorsitzes von Innenminister Lorenz Caffier (64) zum deutlich jüngeren Vincent Kokert (41) versucht die Union gerade den Generationenwechsel. Allerdings klammern sich sowohl Caffier wie auch Wirtschaftsminister Harry Glawe an ihren Posten, und als Fraktionsvorsitzender kann Kokert sich gegen die laute Opposition aus AfD und Linkspartei auf der einen und der medienaffinen Ministerpräsidentin kaum profilieren. Bis jetzt!

Denn einen Tag vor Brodkorbs Rücktritt verstarb die an Bauchspeicheldrüsenkrebs erkrankte Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider (SPD). Das gibt Kokert nun ein Druckmittel in die Hand, die Ministerpräsidentin vorzuführen. So schreibt der stets gut informierte Nordkurier, daß Linke und CDU gemeinsam eine schnelle Nominierung für die Bretschneider-Nachfolge abgelehnt hätten. Schwesig wollte demnach noch in der vergangenen Woche die unglücklich agierende Bildungsministerin Birgit Hesse (SPD) auf den Posten abschieben, um sich Luft für eine größere Kabinettsumbildung zu schaffen. Mit der Blockade steht Schwesig nun vor einem Problem. 

Sollten CDU und Linke ihre Wunschkandidatin weiter verhindern, wäre dies ein Affront gegen die SPD als stärkste Partei im Landtag. Entweder Schwesig schluckt die bittere Pille und läßt sich von ihrem kleinen Koalitionspartner einen Kandidaten aufs Auge drücken oder sie kündigt die Koalition. Zwar gäbe es eine rechnerische Mehrheit für ein rot-rotes Bündnis, mit einer Stimme wäre dies allerdings denkbar knapp. 

Aktuelle Umfragen sehen die Sozialdemokraten in Mecklenburg-Vorpommern bei den gleichen 22 Prozent (2016: 30,6 Prozent) wie die Union (2016: 19 Prozent). Und auch Brodkorb ist nicht aus der Welt. Als Landtagsabgeordneter wird er dem unbeliebten und nur knapp wiedergewählten Fraktionschef Thomas Krüger, der als Gefolgsmann der Ministerpräsidentin gilt, das Leben schwermachen. Keine guten Aussichten für Schwesig.