© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/19 / 10. Mai 2019

Die Menschen sind nicht ganz unschuldig
Der Dürremonitor Deutschland informiert Landwirte über die Bodenzustände in fünf Trockenklassen
Karsten Mark

Nur ein Drittel der Deutschen befürwortet eine zusätzliche CO2-Steuer, um die globale Klimaerwämrung zu stoppen. Nur bei den Grünen-Wählern sind 60 Prozent dafür. Mit elf Prozent ist die Zustimmung bei den Anhängern der AfD am geringsten. Bei den Wählern der anderen Bundestagsparteien sind es immerhin zwischen 31 und 40 Prozent, hat vorige Woche eine repräsentative Umfrage des ARD-Deutschlandtrends ergeben.

„Jetzt schon zu trocken! Katastrophenalarm!“

Und das angesichts einer Meldung, die die Schlagzeilen-Macher nach Ostern zur Hochform auflaufen ließ: „Deutschland droht nächster Sahara-Sommer“, titelte die Bild-Zeitung und setzte in roten Großbuchstaben eine graphische Alarmsirene oben drüber: „Jetzt schon zu trocken! Katastrophenalarm! Waldbrände!“ Auslöser der Weltuntergangsgeschichte war eine dpa-Meldung, die einen Experten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) zitiert hatte. „Sollte die trockene Witterung in den kommenden Monaten anhalten, könnte sich die Dürre des Jahres 2018 wiederholen oder sogar übertroffen werden“, hatte der Leiter der Agrarmeteorologie Udo Busch gesagt – und damit eine mediale Angstkampagne in Gang gesetzt.

Der DWD ruderte schnell zurück, doch die Richtigstellung interessierte weit weniger. Jörg Kachelmann fand in Meedia deutliche Worte: „Alle diese Meldungen sind frei erfunden“, sagte der Schweizer Wetter-Journalist. Der DWD habe „nie behauptet, daß es einen Dürresommer gäbe. Er schrieb nur, daß es einen geben könnte, wenn es nicht regnet, was nicht weiter überrascht“, so Jörg Kachelmann, doch „die unbändige Lust der deutschen Medien an klickbarem Horror läßt sich durch eine solche Korrektur nicht mehr aufhalten“.

Die Angst vor einer neuen Dürre erscheint aber nicht unbegründet. Denn der DWD erklärte den April 2019 nach Auswertung seiner Meßdaten kürzlich zum „13. zu warmen Monat in Folge“. Dies sei ein neuer Rekord seit Meßbeginn im Jahr 1881. Noch bedenklicher liest sich der „Dürremonitor“ des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ), der Auskunft über die Bodenfeuchte gibt. Bereits am Ende des Dürre-Sommers 2018 hatten die Forscher gewarnt, es werde mit Sicherheit den gesamten Winter dauern, bis Böden und Grundwasserreservoirs vom Regen wieder aufgefüllt werden.

Nun wird klar: Auch der gesamte Winter hat nicht dafür gereicht. Bereits die Betrachtung des sogenannten Oberbodens, der bis in eine Tiefe von 25 Zentimetern reicht, muß die Bauern sorgenvoll stimmen. Nur in wenigen Regionen Nordwest- und Südwestdeutschlands hat der Oberboden wieder eine normale Feuchtigkeit erlangt. Überwiegend weist die Bodenfeuchte-Karte des UFZ eine „moderate Dürre“ für Deutschland aus – in der Osthälfte auch in weiten Regionen eine „schwere Dürre“, stellenweise sogar „extreme“ und noch schlimmere „außergewöhnliche Dürre“.

Betrachtet man die tieferen Bodenschichten bis etwa 1,80 Meter, ergibt sich ein geradezu verheerendes Bild: weite Teile Nord- und Ostdeutschlands sind in der Tiefe noch „außergewöhnlich“ trocken. Auch die Alpenregion, westdeutsche Mittelgebirge und der Westen Nordrhein-Westfalens sind extrem trocken. In den sandigen Gegenden der Mark Brandenburg befürchten Landwirte bereits eine Wüstenbildung.

Unterdessen sind Klimatologen um neue Modelle bemüht, die eine bessere Prognose über Dürreperioden erlauben. Forscher der Universität Oxford und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) wollen einen Zusammenhang zwischen lang anhaltenden extremen Wetterlagen und dem Verhalten des Jetstreams, einer gewaltigen Luftströmung in etwa zehn Kilometern Höhe, gefunden haben. Der Jetstream schlängelt sich in regelmäßigen Windungen, den sogenannten Rossby-Wellen durch die obere Atmosphäre. Diese Windungen verändern im Normalfall immer wieder ihre Lage über den Kontinenten und Ozeanen. Im vergangenen Sommer aber seien sie quasi stehengeblieben, beschreiben die Forscher im Fachmagazin Environmental Research Letters. Das habe für Rekordhitze und Dürren in Westeuropa und gleichzeitig für Starkregen und Überschwemmungen in Südosteuropa und Japan gesorgt.

Zwingender Zusammenhang zwischen CO2 und Dürre?

„Wir sehen einen starken Zusammenhang zwischen dem Windmuster und den anhaltenden Hitzeextremen in Westeuropa, Nordamerika und der Region um das Kaspische Meer“, erklärte der Co-Autor der Studie Dim Coumou von der Universität Amsterdam. Das nun erkannte Muster biete die Möglichkeit, die Vorhersage künftiger extremer Wetterereignisse für gefährdete Regionen auf der Nordhalbkugel zu verbessern.

Das Phänomen der stehenden Jetstream-Wellen ist laut Studie bereits bei den langen Hitze- und Dürrephasen der Jahre 2003, 2006 und 2015 aufgetreten. Vor 1999 hingegen hätten die Jetstreams nie länger als zwei Wochen an einer Stelle verharrt. Die Ursache dafür sehen die Wissenschaftler in einer insgesamt steigenden Temperatur der Atmosphäre. Weil sich Landmassen schneller erwärmen als die Ozeane, steige die Temperaturdifferenz; und das wiederum könne die Ausbildung der stabilen Wellenmuster begünstigen. Für die Zukunft sei also häufiger mit längeren Dürrephasen zu rechnen.

Wissenschaftler der Nasa bemühten unterdessen ein altbewährtes Instrument aus dem Jahr 1965 zur Auswertung von Klimadaten: den Palmer-Dürre-Index, der Temperatur- und Niederschlagsverläufe zueinander in Beziehung setzt. Der US-Forscher Wayne Palmer hatte die Methode entwickelt, um Landwirten bessere Ernteprognosen geben zu können. Ein halbes Jahrhundert später versuchen Nasa-Forscherin Kate Marvel und ihre Mitstreiter nun, mit Hilfe des Index einen Zusammenhang zwischen weltweiten Wetterextremen und dem Ausstoß von Kohlendioxid und Aerosolen zu finden. Einen zwingenden Zusammenhang können sie bislang nicht aufzeigen. Denn der Anstieg von Dürren kann zwar für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts nachgewiesen werden und auch für die Zeit seit den 1980er Jahren.

Zwischen 1950 und 1975 kam hingegen ein anderer Effekt zum Tragen: Durch den starken weltweiten Ausstoß von Aerosolen, also festen und flüssigen Schwebeteilchen, in die Luft (etwa Ruß), sei es zu einer „Globalen Verdunkelung“ gekommen – die Sonnenstrahlen erreichten nicht mehr in vollem Umfang die Erdoberfläche, und die Schwebeteilchen sorgten für eine stärkere Wolkenbildung. Es regnete daher wieder häufiger.

Douglas Maraun, Leiter der Forschungsgruppe Regionales Klima vom Wegener Center für Klima und Globalen Wandel an der Universität Graz, kritisierte dieses Erklärungsmodell allerdings kürzlich in der Welt: „Es wird zwar ein Fingerabdruck gefunden, allerdings ist nicht klar, wie stark dieser Fingerabdruck – also der Einfluß des Menschen – wirklich ist.“ Nicht nur Grünen-Wähler sehen das aber offenbar ganz anders.

Wetterstudie „Extreme weather events in early summer 2018 connected by a recurrent hemispheric wave-7 pattern“:  iopscience.iop.org

Studie „Twentieth-century hydroclimate changes consistent with human influence“:  nature.com

Dürremonitor Deutschland des UFZ: www.ufz.de