© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/19 / 17. Mai 2019

Aufgeschnappt
Döner mit Göhte
Matthias Bäkermann

Wie bekomme ich Neuntkläßler dazu, etwas mehr als eine Emoji-lastige WhatsApp-Nachricht zu schreiben? In Berlin, wo diese Schülergruppe im Fach Deutsch laut der jüngsten Studie des Instituts für Bildungswesen im Ländervergleich ganz weit hinten angesiedelt ist, müssen die Lehrer besonders erfinderisch sein. 

An der Carl-Zeiss-Oberschule, einer Gesamtschule mit dem Prädikat „Eine-Welt-Schule“, versucht Deutschlehrerin Franziska Geipel jetzt mit einer „Döner-Tasting“-AG aus ihren an Leseschwäche leidenden und mit dementsprechender Schreibkompetenz ausgestatteten Schülern kleine Gastrokritiker zu formen. Auf einem DIN-A4-Bogen müssen sie dafür bei bestimmten Kriterien (Erreichbarkeit, Salat, Soße, Fleisch) kurze Beurteilungen notieren. An entsprechenden Lokalitäten herrscht kein Mangel, auch nicht im Stadtteil Lichtenrade – zwar kein klassisch migrantischer „Problembezirk“, dennoch sozial prekäres 70er-Jahre-Hochhaus-Milieu. „Die Jugendlichen lernen neue Begriffe, beginnen dadurch sich mit verschiedenen Wörtern auszudrücken. Mit der Zeit wird ihr Ausdruck besser, sie werden mutiger, was ihre Sprache angeht“, schwärmte Geipel vergangenen Montag im Boulevardblatt B.Z. für ihr Projekt, „und der Döner ist das praktische Mittel zum Zweck.“