© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/19 / 17. Mai 2019

Befremden statt Befreiung
Gedenkpolitik: Ein Kranz zum 8. Mai am sowjetischen Ehrenmal in Berlin-Treptow sorgt in der AfD-Bundestagsfraktion für Diskussionsstoff
Christian Vollradt

Das Bild ist irritierend. Ein Kranz am sowjetischen Ehrenmal in Berlin-Treptow, auf der blauen Kranzschleife die Aufschrift „Robby Schlund – AfD-Bundestagsfraktion“. Unmittelbar daneben zwei weitere Kränze, beide von Gremien der Linkspartei. Darauf „Im Gedenken an die Befreiung vom Faschismus am 8. Mai 1945“ sowie „Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus!“ 

Nicht erst dieses Nebeneinander, sondern allein schon die Teilnahme des Thüringer Abgeordneten an den Feierlichkeiten der russischen Botschaft zum Sieg der Roten Armee über die deutsche Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg hatte unter Mitgliedern der AfD-Bundestagsfraktion für Irritationen gesorgt. So zeigte sich etwa Wilhelm von Gottberg „sehr erstaunt“ über das, was sein Fraktionskollege in Treptow getan hatte. 

Davon habe er im Vorfeld nichts erfahren, so von Gottberg gegenüber der JUNGEN FREIHEIT, und wenn „hätte ich ihn nicht begleitet und dort auch keinen Kranz niedergelegt“. Der frühere Vizepräsident des Bundes der Vertriebenen mutmaßt, Robby Schlund sei „wohl nicht im Bilde über das, was zwischen Oktober 1944 und dem 8. Mai 1945 beziehungsweise noch darüber hinaus von Soldaten der Roten Armee für Greuel verübt worden sind“. 

„Ablösung der braunen durch eine rote Diktatur“

Nicht gefolgt ist von Gottberg auch – im Unterschied beispielsweise zu seinem Thüringer Kollegen Anton Friesen – der Einladung des ukrainischen Botschafters, an dessen Gedenkfeier am vergangenen Mittwoch am sowjetischen Ehrenmal im Berliner Tiergarten. Er bitte, so schrieb der AfD-Abgeordnete aus Niedersachsen dem Diplomaten, um Verständnis, daß er sich „als deutscher Patriot“ nicht in der Lage sehe, teilzunehmen. „Die Niederwerfung Deutschlands war keine Befreiung, sondern in einem erheblichen Teil Deutschlands die Ablösung der braunen Diktatur und der Beginn einer roten Diktatur.“ Ihm sei die Flucht aus Ostpreußen noch in Erinnerung, er wisse, was Müttern und Kindern von Soldaten der Sowjetarmee angetan wurde. Der Begriff Befreiung sei daher „deplaziert“. 

Allerdings sei „glücklicherweise die Aussöhnung zwischen Deutschen und den Völkern der früheren Sowjetunion eine Tatsache“, schrieb von Gottberg. Beide Seiten seien aufeinander zugegangen. „Das Ganze ist schließlich Geschichte“, sagte er der jungen freiheit. „Für Selbstbezichtigungen und Reue gibt es keinen Anlaß.“ 

Der Abgeordnete Schlund konnte sich aus Termingründen bis Redaktionsschluß nicht zu dem Vorgang äußern. AfD-Fraktionsvorsitzender Alexander Gauland kommentierte die ganze Aktion gegenüber der jungen freiheit mit einem Satz: „Der einzige Ort, an dem wir Kränze niederlegen sollten, ist der Bendlerblock“ – dort, wo am 20. Juli 1944 Claus Graf Stauffenberg und seine Mitstreiter füsiliert worden waren.