© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/19 / 17. Mai 2019

Der schöne Traum vom Leben ohne staatliche Bevormundung
Wirtschaftsliteratur: Der Unternehmer Titus Gebel will durch „Freie Privatstädte“ mehr Wettbewerb in den Markt der staatlichen Dienstleistungen bringen
Paul Leonhard

Was passiert, wenn der Staat privatisiert wird? Wenn an dessen Stelle eine gewinnorientierte Firma tritt, die in einem Dienstleistungsvertrag den Bürgern Schutz von Leben, Freiheit und Eigentum ohne staatliche Gängelung zu einem Festbetrag garantiert. So, wie es sich der 2012 verstorbene badische Libertäre Roland Baader gewünscht hat: „Laßt mich einen festen, eindeutigen und ein für allemal fixierten Steuersatz zahlen, und bezahlt damit angemessene Sicherheitskräfte und ein verläßliches Rechtswesen, aber haltet Euch ansonsten heraus aus meinem Leben.“

Der deutsche Unternehmer und promovierte Jurist Titus Gebel, durch Rohstoffgeschäfte finanziell unabhängig geworden und mit seiner Familie in Monaco lebend, beschäftigt sich seit mehr als drei Jahrzehnten mit der Frage, wie eine funktionierende Gesellschaftsordnung aussehen könnte. Mögliche Modelle stellt er in seinem Buch „Freie Privatstädte. Mehr Wettbewerb im wichtigsten Markt der Welt“ zur Diskussion.

Staatliche Aktivitäten machen etwa 30 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsproduktes aus. Trotzdem sei die Performance dürftig, schreibt Gebel: Die USA als bilanziell größtes „Unternehmen“ auf diesem Markt würden jährlich Verluste von etwa 800 Milliarden US-Dollar machen. Schweden und Deutschland wiederum gezielt unqualifizierte, alimentierungsbedürftige Neukunden anziehen und damit ihre zahlungsstarke Stammkundschaft vertreiben.

Wie demokratisch sind Staaten tatsächlich? Gebel erinnert an die 1998 beschlossene Einführung des Euro. Die Deutschen wurden dazu nicht befragt, finanzieren aber längst Euro-Südländer mit. Der unter Rot-Grün 2001 beschlossene Afghanistaneinsatz koste bisher zehn Milliarden Euro. Was ist mit dem schwarz-gelben Atomausstieg, in dessen Folge die Strompreise zusätzlich gestiegen sind. Die 2015 verfügte Grenzöffnung brachte die Einwanderung vor allem unqualifizierter junger Männer, was Deutschland bis 2020 mindestens 100 Milliarden Euro kosten wird. Alle dies hätte eines gemeinsam: Eine kleine Minderheit hat aufgrund ihrer Präferenzen Entscheidungen getroffen, die alle auszubaden haben. Diese Minderheit hat keine wirtschaftlichen Nachteile zu befürchten, wenn ihre Entscheidungen andersweitigen Schaden verursachen.

„Versuchskaninchen für Weltverbesserungsideen“

Die institutionelle Außerkraftsetzung des Prinzips, daß derjenige, der etwas finanziert, auch über die Mittelverteilung bestimmen soll, verhindere dauerhafte Stabilität: Daher würden demokratische Systeme zu immer mehr Zentralisierung, mehr Kollektivismus und mehr Einmischung in immer mehr Lebensbereiche tendieren. Hinzu komme die „Entkoppelung von Macht und Verantwortung“.

Die meisten Demokratien betrachten ihre Bürger als „Melkkühe und Versuchskaninchen für Weltverbesserungsideen“. Staaten sollten aber als „attraktive Dienstleister“ um Kunden werben“, indem sie sich auf die Sicherung von Leben, Freiheit und Eigentum der Bürger beschränken und sich im übrigen heraushalten: „Der Umwandlungsprozeß des Staates vom Halbgott in ein Dienstleistungsunternehmen wird nur möglich sein, wenn man von der indirekten auf die direkte Demokratie übergeht und mit dem Selbstbestimmungsrecht auf Gemeindeebene das Monopol des Staates aufbricht“, schreibt Fürst Hans Adam II. in seinem Buch „Der Staat im dritten Jahrtausend“.

Das Fürstentum ist das einzige Land der Welt, das seinen Gemeinden Kraft Verfassung die Sezession und damit die Selbstbestimmung erlaubt: Die Mehrheit eines Gebietes entscheidet per Volksabstimmung, unabhängig zu werden oder einem anderen Gemeinwesen anzugehören. Zudem ist Liechtenstein, geschichtlich gesehen, im Vergleich zu Deutschland ein „Musterbeispiel für Systemrobustheit oder Antifragilität“.

Noch näher kommt Gebels Idealkonzept aber Monaco. Die konstitutionelle Monarchie, die für Nichtmonegassen, welche 80 Prozent der Bevölkerung stellen, keinerlei Mitbestimmungsrechte vorsieht, verfügt über ein attraktives Geschäftsmodell: Es bietet Sicherheit vor Verbrechen, weitgehende Steuerfreiheit, überschaubare Regeln, gutes Klima und läßt seine Bürger weitgehend in Ruhe. So überzeugend Gebel Analyse des Ist-Zustandes ist, so gern man seinen Gedankenspielen zu verschiedenen Modellen von Freien Privatstädten folgt, so wenig überzeugt er letztlich: Warum sollen Staaten es zulassen, daß sich auf ihren Terrritorien souveräne oder mindestens teilautonome Gebietsköperschaften mit eigenem Rechts- und Ordnungsrahmen, Steuer-, Zoll- und Sozialregime, eigener Verwaltung, Sicherheitskräften sowie einem unabhängigen Streitschlichtungssystem bilden?

Ins Straucheln kommt Gebel auch, wenn er Themen wie die Schulbildung behandelt: Letztlich empfiehlt er die Pflicht zur Ableistung mehrerer Prüfungen in einem vorgebenenen Lebensalter. Der eigentlich für alle geltende Grundbetrag könnte Kindern bis zur Volljährigkeit sowie Rentnern, die lange genug in der Privatstadt gelebt und gezahlt haben, erlassen werden. Problematisch scheinen mögliche Grundeigentumsabgaben und Transaktionsgebühren – denn damit wäre die Freie Privatstadt auf dem Weg zu einem „normalen“ Staat.

Informationen zum Free Private Cities Project.  freeprivatecities.com

Titus Gebel: Freie Privatstädte – Mehr Wettbewerb im wichtigsten Markt der Welt. Aquila Urbis Verlag, Walldorf 2018, 320 Seiten, gebunden, 29,99 Euro