© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/19 / 17. Mai 2019

Haltungsnote
Pause von der modernen Welt
Gil Barkei

Bahnhöfe, U- und S-Bahnstationen dürften für die meisten Menschen nicht gerade zu den Lieblingsorten gehören. Menschenmassen hetzen an genervt Wartenden vorbei. Vielerorts sind die Verkehrtsmitttel zum Inbegriff von Dreck, Gleichgültigkeit und Kriminalität geworden. Die Menschen herausreißen aus diesem täglichen Strom aus Streß und Abstumpfung, das gelingt Denis Robinson. Der Brite spielt jede Woche mindestens einmal in der Londoner St-Pancras-Station Klavier. Die Musik biete „eine Pause von dem Stöhnen und Ächzen und Kämpfen in der modernen Welt“, erzählt der 91jährige der BBC. Er habe „viele Momente der Freude“ erlebt. Regelmäßig kämen Reisende zu ihm und bedankten sich, er habe ihnen den Tag gerettet. Trotz zweier Hörgeräte zieht es Robinson immer wieder zu dem in ein Geländer eingelassen Piano in einem Durchgang des Bahnhofs. Mittlerweile ist er eine kleine Berühmtheit. Passanten bleiben stehen und halten inne. Hin und wieder steigen andere Musiker ein, wie kürzlich eine bekannte Musicalsängerin. Besonders für solche Begegnungen hofft Robinson noch viele Jahre in die Tasten hauen zu können. Ihm, den Pendlern, aber auch dem altehrwürdigen Bahnhof neugotischen Stils aus dem Jahr 1868 ist dies nur zu gönnen.