© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/19 / 24. Mai 2019

Ländersache: Sachsen
Wer lesen kann, ist klar im Vorteil
Paul Leonhard

Sachsens Landesamt für Verfassungsschutz müsse schnellstens aufgelöst werden. Darin sind sich der frühere Landeschef der Grünen, Jürgen Kasek, und der Fraktionsvorsitzende der Linken im Landtag, Rico Gebhardt, einig. Katja Kipping aus Dresden, Bundesvorsitzende der Linken, twitterte: „Sachsens Verfassungsschutz ist nicht zu retten“. Der grüne Innenpolitiker Valentin Lippmann ist überzeugt, daß Sachsens Schlapphüte ihre „Daseinsberechtigung verloren“ haben. 

Anlaß für diese geballte linke Kritik ist der jüngste Jahresbericht des Amtes und darin insbesondere die Erwähnung des „Wir sind mehr“-Konzerts vom 3. September 2018 in Chemnitz. Aus Sicht von Amtsleiter Gordian Meyer-Plath war diese von der Chemnitzer Gruppe „Kraftklub“ organisierte und selbst von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Außenminister Heiko Maas als „Signal gegen Rechts“ beworbene Veranstaltung, bei der auch dem linksradikalen Spektrum zugerechnete Bands auftraten, ein Musterbeispiel für die neue Strategie der Linksextremisten. 

Da deren Musikgruppen im Gegensatz zu rechtsextremistischen gesellschaftlich nicht geächtet werden, bietet sich ihnen „damit die Möglichkeit, öffentliche Veranstaltungen für die Vermittlung ihrer politischen Ideen zu nutzen, sich dort zu präsentieren und gesellschaftliche Akzeptanz zu finden, um schließlich im Kontext ihrer extremistischen Ideologie auf Nichtextremisten einzuwirken“, heißt es im Bericht des sächsischen Verfassungsschutzes. Verkürzt wurde daraus in Medien wie der Leipziger Volkszeitung die wahrheitswidrige Meldung, der Verfassungsschutz habe das Konzert, zu dem immerhin 65.000 Menschen gekommen waren, als „linksextrem“ bezeichnet. Vergeblich versucht Meyer-Plath seitdem darauf hinzuweisen, was tatsächlich in dem Bericht steht. In diesem wird nicht das Konzert als linksextremistisch eingestuft, sondern an diesem erläutert, wie Extremisten „das Medium Musik intensiv für die Vermittlung ihrer jeweiligen politischen Position“ nutzen.

„Nazis raus!“-Rufe hätten nichts mit Linksextremismus zu tun, betont dagegen Konstantin Kuhle, Innenexperte der FDP-Bundestagsfraktion gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) und unterschlägt, daß der Verfassungschutzbericht festhält, daß Musiker das Publikum zum Rufen der Parole „Alerta, alerta Antifascista“, also der Losung der gewaltbereiten „Antifaschistischen Aktion“ animiert hatten.Offenbar ohne einen Blick in den Bericht geworfen zu haben, legt Kuhle Meyer-Plath den Rücktritt nahe: Wenn „die Koordinaten des obersten Verfassungshüters in Dresden derart einseitig verschoben sind“, daß „Nazis raus“-Rufe mit Linksextremismus gleichgesetzt werden, bedürfe es in Sachsen eines „reinigenden Gewitters“ wie im Fall Maaßen. 

Meyer-Plath konzentriere sich als Mitglied einer Burschenschaft darauf, „antifaschistische Kräfte zu diffamieren sowie rassistische und rechtsextreme Gewalt zu bagatellisieren“, sagte Linken-Chefin Kipping dem RND. Kritik an der Arbeit des Amtes kommt auch von der AfD. Er könne nicht verstehen, warum der Verfassungsschutz erneut linksextremistische Straf- und Gewalttaten in seinem jährlichen Bericht verharmlose, kritisiert der Landtagsabgeordnete Sebastian Wippel.