© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/19 / 24. Mai 2019

Was Ay e trägt, soll Ay chen nicht tragen
Kopftuch: Nach dem Vorbild Österreichs sprechen sich auch deutsche Parlamentarier für ein Verbot an Grundschulen aus / Verfassungsrechtliche Bedenken
Peter Möller

Es war eine der letzten Entscheidungen der am Wochenende geplatzten schwarz-blauen Koalition aus ÖVP und FPÖ in Österreich. In der vergangenen Woche beschloß das Parlament in Wien, Grundschulkindern zu verbieten, in Schulen Kopftücher zu tragen. Konkret untersagt das Gesetz „das Tragen weltanschaulich oder religiös geprägter Bekleidung, mit der eine Verhüllung des Hauptes verbunden ist“. ÖVP und FPÖ ließen keinen Zweifel daran, daß sich die neue Vorschrift nicht etwa gegen die jüdische Kippa richtet.

Den Vorstoß der rechtskonservativen Regierung im Nachbarland griff als eine der ersten die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU), auf und forderte, auch hierzulande ein Kopftuchverbot für Kinder an Schulen zu prüfen. „Daß kleine Mädchen Kopftuch tragen, ist absurd – das sehen auch die meisten Muslime so. Alle Maßnahmen, die Mädchen davor schützen – vom Elterngespräch bis zum Verbot – sollten geprüft und angegangen werden“, sagte Widmann-Mauz der Bild-Zeitung und erntete sogleich Widerspruch ihres Parteifreundes und familienpolitischen Sprechers der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Marcus Weinberg. „Das pauschale Verbot eines Kopftuches – wie in Österreich – benachteiligt auch die Mädchen, die sich freiwillig für das Tragen eines Kopftuches als Zeichen ihrer Religion entschieden haben“, sagte er der Bild.

Und tatsächlich scheint es fraglich, ob Kopftücher für Schülerinnen in Deutschland überhaupt verboten werden dürften. Bereits 2017 kam der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages zu dem Ergebnis, ein Kopftuchverbot an Schulen sei verfassungsrechtlich „wohl nicht zulässig“. Auch der Präsident der Kultusministerkonferenz, Hessens Kultusminister Alexander Lorz (CDU), äußerte sich skeptisch. „Wenn sich Eltern auf die Freiheit der Religionsausübung berufen, hat unser Rechtsstaat wenig Handlungsmöglichkeiten“, sagte er den Zeitungen der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft. „Ein gesetzliches Verbot dürfte vor dem Verfassungsgericht daher kaum bestehen.“

Islam-Funktionär spricht  von „Symboldebatte“

Unterstützung für den Vorstoß kam dagegen aus den Schulen. Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, plädierte für ein Kopftuchverbot in Kindergärten und Grundschulen und gab zu bedenken, daß vermutlich von den Eltern schon auf kleine Kinder Druck ausgeübt werde, das Kopftuch zu tragen. „Kopftücher in der Schule sind integrationsfeindlich, weil sie bereits in Kindergärten und Grundschulen zur äußerlichen Abgrenzung beitragen“, sagte er. Ähnlich äußerte sich auch CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer: „Kopftücher im Kindergarten oder in der Grundschule haben mit Religion oder Religionsfreiheit nichts zu tun, das sehen auch viele Muslime so“, sagte die Politikerin den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Vor allem in der AfD wurden diese und ähnliche Wortmeldungen mit einer gewissen Verwunderung registriert. „Wir nehmen aufmerksam zur Kenntnis, daß sich die Parteivorsitzende der CDU, Frau Kramp-Karrenbauer, und die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Frau Widmann-Mauz (CDU), nun ebenfalls ein Kopftuchverbot vorstellen können. Die AfD fordert das schon lange und nicht nur in Wahlkampfzeiten“, sagte der bildungspolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Götz Frömming. „Die CDU muß ihren Worten jetzt Taten folgen lassen, wenn sie sich nicht unglaubwürdig machen will.“

Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, bezeichnete die Diskussion dagegen als eine Symboldebatte, die weiter zur Ausgrenzung von Muslimen führe. Das Ganze sei schließlich kein Massenphänomen, es gäbe kein Kopftuchgebot für Kinder, sagte er dem Inforadio und warnte davor, daß Rechtspopulisten durch derartige Debatten Aufwind bekommen würden. Auch Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) zog den Nutzen der Debatte in Zweifel. „Wir müssen alle Mädchen darin stärken, zu selbstbewußten und unabhängigen Frauen heranzuwachsen. Ich habe Zweifel, ob eine Verbotsdebatte da hilft“, sagte sie der FAZ.