© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/19 / 24. Mai 2019

Tschüß Tradition, Rendite first
Siemens: Arbeitsplatzabbau für den schlanken Digitalkonzern
Marc Schmidt

Joe Kaeser leitet das Ende des Siemens-Konzerns in seiner bisherigen Form ein. Seit einigen Jahren arbeitet der langjährige Finanzvorstand, der 2013 den erfolglosen Peter Löscher als Vorstandschef ablöste, an der „Siemens 2020+“-Strategie zum Umbau des früheren Mischkonzerns. Dabei überraschte Betriebsräte und Aktionäre weniger die Ausrichtung auf Digitalisierung, sondern die Radikalität, mit der Kaeser Traditionen beendet und Bilanzvolumen wie Mitarbeiterzahl senkt. Künftig steht Siemens nicht mehr für ein großes Portfolio, sondern für ein verkleinertes Digitalunternehmen mit margenstarken Geschäftsfeldern. Dies werden unter einer gemeinsamen Holding die Bereiche „Digitale Industrien“ (Schwerpunkt Prozeßoptimierung) und „Intelligente Infrastrukturen“ sein. Als eigenständige Firmen neben diesem Kerngeschäft verbleiben die Mehrheit an Siemens Healthineers, dem als Kooperationsunternehmen bereits teilausgegliederten Bereich Gesundheitswirtschaft, und die Bahntechnik, für die langfristig eine Abgabe oder Kooperationslösung angestrebt wird.

Abspaltung der Energiesparte

Die Energiesparte „Gas and Power“ wird komplett in einen neuen Konzern abgespalten, Siemens gibt dieses fertigungslastige Kerngeschäft auf. In den neu zu gründenden Konzern, an dem Siemens nur eine Minderheitsbeteiligung halten wird, werden auch die Anteile am Windkraftanlagenbauer Siemens Gamesa eingebracht. Wegen der Abgabe der Aktienmehrheit an Siemensaktionäre und neue Investoren erfolgt keine Konsolidierung der Ergebnisse des neuen Unternehmens mit der Holding. Die Abspaltung der Energiesparte erfolgt auf Grund der in den vergangenen Jahren nicht erfüllten Renditeerwartungen. Mit der Zustimmung der Arbeitnehmervertreter erfolgt im verbleibenden Kerngeschäft ein Arbeitsplatzabbau um 10.000 Verwaltungsstellen ohne betriebsbedingte Kündigungen. Im Gegenzug kündigte Kaeser an, im Bereich der Holding bis zu 20.000 Vertriebs- und Forschungsstellen zu planen. Insgesamt sinkt die Siemens-Mitarbeiterzahl durch die Aufgabe der Energiesparte im Kernunternehmen um 80.000 – davon 20.000 an 20 deutschen Standorten. Hier gelten zunächst weiter Haustarifverträge und Betriebsvereinbarungen. Ob dies angesichts der Schwierigkeiten der gesamten Energietechnikbranche haltbar ist, weiß niemand.