© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/19 / 24. Mai 2019

Geduldetes Nebeneinander in instabilen Gesellschaften
Bedrohliches Szenario
(wm)

Die Situation der Kinder maghrebinischer Einwanderer in Frankreich wird in der Migrationsforschung häufig als Variante eines jahrzehntelangen Kulturkonflikts dargestellt. Doch so klar verlaufen für die Ethnologin Stefanie Hiltry die Fronten in einem Land nicht, dessen Staatspräsident unlängst erklärte, keine französische Kultur mehr zu kennen, sondern nur eine Kultur in Frankreich, und die sei „divers“ (Beiträge zur Europäischen Ethnologie/Volkskunde, 5/2018). Dabei sei dieses propagierte friedliche Nebeneinander unterschiedlicher Kulturen reines „Wunschdenken“. Tatsächlich breitet sich die allgemeine Desorientierung und Entsolidarisierung aus. Mehr als ein als „geduldetes Nebeneinander in einer instabilen Gesellschaft“ lasse sich in Frankreich nicht erkennen. Neue Grenzen seien in den Köpfen der Menschen entstanden. Man gehe sich aus dem Weg, man fürchtet sich vor den „Anderen“. „Vorurteils-Grenzen“ werden damit zu unüberwindlichen Hindernissen, „denn die eigene Kultur soll schließlich verteidigt werden“. So suchen mehr und mehr Mitglieder einer Gesellschaft nach Mitteln, um eigene kulturelle Werte und Normen in diesem als „bedrohlich erlebten Szenario einer multikulturellen Gesellschaft zu schützen und zu verteidigen“. Was für Hiltry dennoch unbegreiflich ist, da Fremde nicht zu fürchten seien, die in Europa doch nur „Zuflucht“ suchten. 


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