© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/19 / 24. Mai 2019

Es gibt keine Untergrenze des Niveaus
Verschwörungstheorie der Marke Gender: Die weltweite Gegenrevolution des „Maskulinismus“
Oliver Busch

Viel ist in Politik und Gesellschaft mit einer von Karl Marx ersonnenen, von Bill Clinton populär gemachten Faustformel zu erklären: „It’s the economy, stupid!“ Viel, aber lange nicht alles. Darüber hinaus gibt es rätselhafte Phänomene in Fülle, denen nur mit Arthur Schopenhauer beizukommen ist: „It’s the stupidity, stupid!“

Denn anders als mit dem Verweis auf die gewaltige „Macht der Torheit“, die der zur Verachtung des „erbärmlichen bipedischen Geschlechts“ neigende Philosoph für unbesiegbar hielt, ist wohl tatsächlich nicht zu verstehen, warum der deutsche Steuerzahler seit 2015 fast klaglos 100 Milliarden Euro gezahlt hat, um über das „soziale Experiment“ (Yascha Mounk) des „Großen Austauschs“ (Renaud Camus) seine eigene Abschaffung zu finanzieren. Und warum er mit einem Teil dieser aberwitzigen Investition auch noch jenen ideologischen Überbau füttert, in dem inzwischen Ameisenheere obskurer Wissenschaftler damit beschäftigt sind, gleich Regenmachern zu Gender, Diversität, Migration zu „forschen“, um dieses globalistische Zerstörungswerk zu legitimieren.

Einzig und allein mit Schopenhauers „Herrschaft der Dummheit“ ist die Akzeptanz dessen noch zu begreifen, auf die eine solche akademisch dekorierte Wissenschaftssimulation seit Jahrzehnten rechnen darf. Ein schrecklich schönes Beispiel dafür liefert aktuell eine Ausgabe des 1982 begründeten, mittlerweile im renommierten Wissenschaftsverlag Walter de Gruyter erscheinenden Zentralorgans der „Frauen- und Geschlechterforschung“. Die Feministischen Studien, dokumentieren zwar auch sonst, was an intellektueller Trostlosigkeit möglich ist. Aber eine selbst in diesem Umfeld bemerkenswerte Untergrenze des Niveaus erreicht das Themenheft „Normalisierung neoreaktionärer Politiken“, das sich der „Verschiebung gesellschaftlicher Diskurse nach rechts“ widmet (2/2018). 

Schon die Einleitung, zusammen mit ihrer seit 2005 im Lehrbetrieb auf „Gender Studies und Pornografie“ konzentrierten Assistentin Aline Oloff verfaßt von der Mitherausgeberin Sabine Hark, einer Soziologin, die an der TU Berlin das Zentrum für interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung leitet, zeugt von einem hohen Grad autistischer Realitätsverweigerung. Sei sie geschrieben worden unter dem Eindruck des „rassistischen Ausnahmezustands“ in Chemnitz, „mitten in Deutschland“, wo nach einer „Messerstecherei“ (!) „Jagd auf als Nicht-Deutsche wahrgenommene Personen wie auf Jounalist*innen und Gegendemonstrant*innen“ gemacht worden sei. 

Gender-Empörung über Hans-Georg Maaßen

Der „stetig stärker werdende, neoreaktionär agierende, faschistische Flügel der Partei Alternative für Deutschland (AfD) um Björn Höcke“, so Hark & Oloff im schönsten SED-Jargon, habe sich dort „aktiv verbündet mit den marodierenden Nazibanden“. Diese auch sonst alltäglichen „xenophoben Gewaltmärsche“ entfesseln die „destruktiven Energien rassistisch motivierter Normalbürger*innen“ und zeigen den Mobilisierungserfolg der „völkisch-nationalen Sammlungsbewegung“. 

Im Stil dieser Halluzinationen geht es schier endlos weiter. Empört zeigen sich die Damen über den damaligen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen, der sich doch allen Ernstes erfrechte, an „rechten, rassistisch motivierten Hetzjagden“ in Chemnitz zu zweifeln. Hark und Oloff kriegen sich gar nicht mehr ein, bis sie ihren Text zur großen verschwörungstheoretischen Oper einer weltweiten Gegenrevolution gegen die „geschlechtergerechte Gestaltung der Demokratie“ aufgeblasen haben. 

Überall, von Charlottesville bis Chemnitz, seien „faschistische Männerbanden“ am Werk, um gegen Fremde, Muslime, Lesben, Schwule und Trans-Menschen zu hetzen. Sultan Erdogan sortieren – weil Autokrat wie Trump und Putin – die beiden feministischen Freundinnen des Islam gleich mit in die von ihnen attackierten „islamfeindlichen“ Bewegungen ein. Nicht die „economy“, nicht der Kapitalismus in seiner radikal globalisierten Gestalt, nein, der „sexistische und rassistische Maskulinismus“ ist für sie daher das gelöste Welträtsel. Das ist Sozialwissenschaft in einfachster Sprache, die nicht länger von Mehrwert, Entfremdung, Ausbeutung reden muß, wenn man sie üppig dafür bezahlt, vom Geschlecht zu fabulieren. 

Der Erkenntniswert sämtlicher Beiträge auch dieses Heftes strebt folglich gegen null. Oder ist es wissenswert, was die begnadete Ernst-Jünger-Exegetin Gabriele Kämper (Geschäftsstelle Gleichstellung beim Berliner Senat), wandelnd auf den von Klaus Theweleit („Männerphantasien“) ausgetretenen Pfaden, über „rechte Lektüren“ im Umfeld des Instituts für Staatspolitik in  Schnellroda herausfand, die irgendwie dem „Kult der Kälte“ frönen? So bleibt, sich mit unfreiwilliger Hochkomik zu trösten, die der einzig männliche Beiträger über ultragefährliche „Identitäre Schwule und bedrohliche Queers“ und das „Verhältnis von Homonationalismus und Anti-Genderismus im Nationalkonservatismus“ zum besten gibt.