© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/19 / 24. Mai 2019

Werbeoffiziere für die Windindustrie
Grüne Politik im Raum Eckernförde: Gegen Seeadler und andere „unerwünschte“ Arten
Christoph Keller

In Schleswig-Holstein weht immer eine steife Brise. Ministerpräsident Daniel Günther paßt dazu, denn dessen politische Fahne segelt hart im Zeitgeist: „Wenn wir keine Einwanderung wollen, aber unseren Wohlstand behalten möchten, dann müßte jede deutsche Frau rechnerisch sieben Kinder bekommen“, sagte der amtierende Bundesratspräsident voriges Jahr vor verdutzten Parteifreunden bei einer Veranstaltung der CDU Reinickendorf in Berlin. Deshalb engagiere er sich für mehr Zuwanderung. Selbst wenn jährlich 200.000 Menschen einwanderten, würden 2040 drei Millionen Fachkräfte fehlen, so der von CSUlern als „Genosse Günther“ verspottete 45jährige Politikwissenschaftler.

Mit Feuereifer für grüne Profitinteressen

Wenig Zeit und Geld bleibt da für Althergebrachtes. So hat die einstige „Bauernpartei“ CDU, die das Agrarministerium jahrzehntelang wie einen Erbhof verwaltete, vieles dem grünen Jamaika-Koalitionspartner überlassen, der sich in der vorherigen Küstenkoalition mit SPD und Dänen-Partei SSW ein Superministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung bastelte. Die Reihenfolge ist eine Rangfolge: Umwelt und Natur ordnete der damalige Ressortchef Robert Habeck mit Feuereifer den Profitinteressen der Windkraft-Lobby unter.

Spätestens die Auseinandersetzungen im Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), die 2012 zum Austritt des Gründungsmitglieds Enoch zu Guttenberg führten, der den „Verrat“ ökologischer Vereinsziele an die Windindustrie nicht mittragen wollte, offenbarten, daß die Grünen, an deren Politik sich auch andere, personell mit ihnen verbandelte Vereine wie der Naturschutzbund (Nabu) orientieren, gar keine echte Natur- und Tierschutzpartei sind.

Diese Erfahrung mußten auch Bürger in der Region zwischen Eckernförder Bucht und Schlei machen, wo die „Verspargelung“ der Landschaft unter Habecks Ägide flott voranschritt. An vage Versprechungen, dessen Ausbaupläne korrigieren zu wollen, die Daniel Günther 2017 als Landtagskandidat getreut hatte, erinnerte er sich nach seinem Aufstieg zum Ministerpräsidenten nicht mehr. Statt dessen veröffentlichte Habeck im Sommer 2018, kurz vor dem Wechsel ins Amt des Co-Vorsitzenden der Bundesgrünen, Karten, die den kräftigen Ausbau bestehender und die generöse Ausweisung von Vorrangflächen für den Bau neuer Windanlagen avisierten.

Da weder von den Grünen noch von BUND oder Nabu Hilfe zu erwarten ist, organisieren Betroffene ihren zivilgesellschaftlichen Widerstand gegen die Politik dieser „Werbeoffiziere der Wind­industrie“ (Enoch zu Guttenberg) in Bürgerinitiativen. Susanne Kirchhoffs junger Verein „Gegenwind“ (JF 29/16) erregte mit seinen Protesten gegen den Windpark Loose, die „Schande von Schwansen“, zehn Kilometer nördlich von Eckernförde, bundesweit Aufsehen.

Die im Juni 2017 gegründete Bürgerinitiative „Lebensraum Eckernförder Bucht“ will die Erweiterung eines Windparks verhindern, die ausgerechnet an einem „Hotspot der Artenvielfalt“ geplant ist, wo in Strandnähe des Ostseebades extrem banausisch in die Landschaftsästhetik eingegriffen würde. Und schließlich kümmert sich der 2016 ins Leben gerufene Verein Seeadlerschutz Schlei um den mit der wachsenden Zahl von Windkraftanlagen schwieriger werdenden Großvogelschutz.

Mit welchen Methoden es die Vogelfreunde dabei zu tun bekommen, dokumentierte der Verein nun im Internet. In der Gemeinde Thumby, zwanzig Kilometer nordöstlich von Eckernförde, begann ein Seeadlerpaar am 10. März mit der Brut. Wäre sie regulär verlaufen, wären Ende April zwei Junge aus den Eiern geschlüpft. Um das zu verhindern, sorgte der Landeigentümer mit einer tagelang dauernden Anlieferung und Ausbringung von Klärschlamm für maximalen Lärm, bis das gestörte Adlerpaar die Brut aufgab. Hintergrund der Aktion, so schildert es der Vereinsvorsitzende Frank Dreves, die von der Energiewende angestachelte Profitgier gewesen.

Mehr Vorrangflächen und Vermaisung der Landschaft

Der Landwirt hofft auf die Ausweisung seines Areals als Vorrangfläche für eine Windanlage. Nicht anders als jener Waldbesitzer, der verdächtigt wird, 2015 in Stangheck bei Kappeln eine 140 Jahre alte Eiche gefällt zu haben, auf der sich ein Seeadlerhorst befand und in deren Nähe ein Windpark geplant ist. Für Dreves erscheint daher der rätselhafte Totfund eines vergifteten Seeadlers bei Gut Ludwigsburg in anderem Licht. Damals, 2010, brachte niemand diese Vergiftung in Zusammenhang mit Windkraftplanungen: Ludwigsburg liegt nicht weit entfernt vom Windpark Loose.

Dreves, ein umtriebiger Kommunalpolitiker, der für die Freie Wählergemeinschaft im Gemeinderat von Rieseby und im Hauptausschuß des Amtes Schlei-Ostsee sitzt, beschreibt in seiner Vereinszeitschrift Der Seeadler wie solches eher grobe Vorgehen von subtileren Mitteln begleitet wird, um die Ener­giewende nachhaltig zu exekutieren. Dafür sorgt im Kreistag mittlerweile eine große Koalition der Altparteien.

So enthielt sich der SPD-Abgeordnete Jens Kolls der Stimme, als es darum ging, die Auffassung der Unteren Naturschutzbehörde des Kreises Rendsburg-Eckernförde zu stützen, daß mehrere Vorrangflächen für Windkraft wegen der hohen Seeadlerdichte in der Region ungeeignet seien. Die Enthaltung des SPD-Mannes, meint Dreves, verwundere nicht. Kolls, der als eine Art Wolf im Schafspelz dem Verein Naturpark Schlei vorsitzt, gelte als Wegbereiter des Windparks Saxtorf (Gemeinde Rieseby), eines Loose benachbarten Projekts, um das „seit vielen Jahren hart gefochten wird“.

Jedes Jahr im Dezember wartet Dreves mit Spannung auf den Kieler Jahresbericht zur biologischen Vielfalt, Jagd und Artenschutz, den 2018 erstmals Habecks Nachfolger und Parteifreund Jan Philipp Albrecht herausgab. Neu war diesmal lediglich dessen Vorwort. Denn wieder fehlte ein Bericht zur Windkraft. Dies sei vermutlich so, weil auch Albrecht sich primär als Minister „für“ Energiewende verstehe. Deshalb schweige er sich über die Auswirkungen der Mais-Monokulturen genauso aus wie über Windkraftanlagen als Todesfallen für Fledermäuse, Vögel und Insekten. „Die Vermaisung der Landschaft und die Zerstörung ganzer Regionen durch Windkraftanlagen mit ihren verheerenden Auswirkungen auf viele Lebewesen“, einschließlich des Menschen, gehörte aber in den Artenschutzbericht aller Bundesländer, „mögen deren Minister auch noch grün sein“.

Speziell das Seeadler-Kapitel in Minister Albrechts Bilanz geriet lückenhaft. So melde er zwar den Anstieg auf 112 Seeadlerreviere, verschweigt aber, daß die Zahl nichtbrütender Paare und von Brutabbrüche bei traurigen 31,3 Prozent lag. Keine Zeile verliert Albrecht über gezielte Störungen mit Laserpointern oder Anflüge von Horsten mit Drohnen. Unbegreiflich sei überdies, so Dreves, warum man nichts über die Todesursachen Vergiftung oder Windkraft bei Seeadlern publiziere. Wieso nichts über Kraniche zu erfahren ist, obwohl sie sich in der Region ansiedeln, sei hingegen klar: Für Projektplaner sei der „Vogel des Glücks“ nur eine weitere „unerwünschte“ Profitbremse wie Seeadler, Fischadler und die übrige Greifvogelfamilie.

Verein Seeadlerschutz Schlei: www.seeadlerschutz.de

Verein Vernunftkraft Schleswig-Holstein: vernunftkraft-sh.de