© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/19 / 31. Mai 2019

Die Lage nach Theresa Mays Rücktritt
Zertrümmert und vergiftet
Derek Turner

Britische Politiker lieben es, von „Würde“ zu sprechen. Doch all die Anerkennung für Theresa Mays Charakter und für ihr Verhalten, als sie nun ihren Rücktritt bekanntgab, haben nur schwerlich die enorme Erleichterung verborgen, die ihre lieben „Kollegen“ tatsächlich ob ihres Schritts empfunden haben. Ebenso wie das Land – denn die vergangenen drei Jahre sind, so sehen es viele Briten, politisch vergeudet worden.

Vom Brexit fühlen sie sich heute sogar weiter entfernt als 2016, als May die Regierung übernahm. Und die stärkste politische Waffe der Konservativen – ihr Ruf, politisch kompetent zu sein – ist fast gänzlich zertrümmert. Tatsächlich halten die Torys nur noch zusammen, weil Herausforderer Labour selbst zerstritten ist und weil das Mehreitswahlrecht das Entstehen national-„populistischer“ Parteien verhindert. 

Bisher trug die Konservative Partei den Wettlauf um die Führung stets diskret und ohne öffentliche Emotionalitäten aus. Doch nun scheint dieser sich erhitzt und öffentlich zu vollziehen. Acht ehemalige Minister haben im Kampf um Mays Nachfolge bereits ihren Hut in den Ring geworfen – und mit weiteren wird gerechnet. Und schon gilt die Atmosphäre unter den Kontrahenten als „vergiftet“ . Jene also, die antreten wollen, das tief gespaltene Großbritannien zu einen, müssen zunächst einmal eine nicht weniger unmöglich scheinende Einigung vollbringen, nämlich die ihrer schwer verwundeten Partei.