© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/19 / 31. Mai 2019

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Über sieben Plagen
Christian Vollradt

Eine Warnung vorweg: Es wird jetzt ein bißchen denglisch. Was den Campaignern (gelegentlich überbezahlte Wahlkampberater) im Konrad-Adenauer-Haus vergangene Woche passierte, war der Worst Case (eine totale Klatsche). Ein 26jähriger Youtuber (einer der Internetfilmchen veröffentlicht, die so viele anschauen, daß er von der darin enthaltenen Werbung leben kann) hat mit einem 55minütigen Rant (Wutanfall) eine über 70 Jahre alte Partei erschüttern können. Was dieser Rezo unter dem Titel „Die Zerstörung der CDU“ ablieferte, war zwar das übliche linke Lamento: Die Schere zwischen Arm und Reich werde immer größer, für Bildung sei kein Geld da, und die Klimakatastrophe käme sowieso. Schuld an dem ganzen Schlamassel: die CDU, schließlich regiere die seit Jahren das Land. So weit, so simpel.

In einer ersten Reaktion meinte CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer noch flapsig kontern zu können und entgegnete, nun sei die Union wohl auch noch schuld an den „sieben ägyptischen Plagen“. Die Häme, mit der man die Vorsitzende der C-Partei darauf hinwies, daß das 2. Buch Mose von zehn Plagen berichtet, ließ nicht lange auf sich warten. Ihr Generalsekretär Paul Ziemiak, der dem Youtuber pauschal „Falschbehauptungen“ vorwarf, erntete auf seinen Kanälen in den sozialen Netzwerken einen Shitstorm (muß man nicht übersetzen). 

Dann kam man im Adenauer-Haus auf die Idee, ein Antwortvideo zu drehen. Hauptrolle: der – ebenfalls – 26 Jahre junge Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor, der sonst im Bundestag häufig die Rolle als Ausputzer gegen die AfD übernehmen muß. 

Amthor legte los – doch dann passiert: nichts. Der Dreh des Videos habe viel Freude gemacht, sagte der Abgeordnete aus Vorpommern später etwas verlegen. Allerdings habe die Partei sich dafür entschieden, daß „die Übermittlung eines Videos, jetzt, in der Diskussion vielleicht nicht der beste Weg ist“. Aus Parteikreisen hieß es: Der CDU-Vorstand befürchte, Generalsekretär Ziemiak könne politisch beschädigt werden, wenn „ein einfacher Bundestagsabgeordneter“ an seiner Stelle antworte. Die Veröffentlichung müsse gestoppt werden.

Während sich dann der ehemalige Generalsekretär und christdemokratische Linksausleger Ruprecht Polenz dazu berufen fühlte, Rezo um Verständnis zu bitten, denn er habe ja im Grunde recht mit seiner Kritik und sein Video führe hoffentlich „zu einem Umdenken in unserer Gesellschaft, was die Dringlichkeit der Klimafrage angeht“, setzte die Parteiführung auf das modernste, was die neuen Medien zu bieten haben: ein elf Seiten langes PDF-Dokument unter der Überschrift „Offene Antwort an Rezo“. 

Kurz vor der Wahl erhielt der indes noch einmal Verstärkung. In einem Zusammenschnitt schlossen sich 70 bekannte Youtuber dem Informatiker mit der blauen Haartolle an und forderten zur Nichtwahl von Union, SPD und AfD auf. Mit beim Appell, endlich Ernst mit dem Klimaschutz zu machen, auch eine  junge Dame, die unlängst stolz einen aufgemotzten Luxus-Sport-Mercedes präsentiert hatte. Das war den Campaignern der CDU allerdings entgangen.