© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/19 / 31. Mai 2019

Säbelrasseln kommt an
Indien: Der Großteil der Wähler dankt dem wiedergewählten Premier Narendra Modi für dessen Stabilitätspoltik
Marc Zoellner

Die Ergebnisse waren kaum verkündet, als das erste Glückwunschtelegramm Neu-Delhi bereits erreichte: „Grüße aus tiefstem Herzen, lieber Freund“, gratulierte Israels Premierminister Benjamin Netanjahu seinem indischen Kollegen Narendra Modi auf Hindi, einer der zwei Amtssprachen Indiens, zu dessen erfolgreicher Wiederwahl vom vergangenen April. „Die Wahlergebnisse sind eine Anerkennung des Weges, auf den Du die größte Demokratie der Welt leitest. Zusammen werden wir die großartige Freundschaft unserer beiden Länder zu neuen Höhen führen.“

Daß Modi sich über derart blumige Worte gefreut haben dürfte, ist unzweifelhaft. Immerhin verbindet beide Staaten seit über zwanzig Jahren eine enge Partnerschaft: Mit Rüstungsexporten in Höhe von gut zwei Milliarden US-Dollar pro Jahr gilt Israel gleich nach Rußland als wichtigter Wirtschaftspartner und Waffenlieferant – und ist für den südasiatischen Subkontinent, der in seiner jüngsten Geschichte bereits vier Kriege mit dem pakistanischen Nachbarn ausfechten mußte, sicherheitspolitisch somit ein unabdingbarer Garant. Im vergangenen Jahr durfte der indische Export von Bedarfs- und Luxusartikeln nach Israel dafür einen Rekordüberschuß von beinahe 1,8 Milliarden US-Dollar einfahren.

 Vorausschauend verstand Narendra Modi die vergangenen fünf Jahre seiner Amtszeit zu nutzen, um Indien aus der verteidigungspolitischen Defensive, aber auch aus der durch die Weltwirtschaftskrise bedingten Rezession zu führen: Das indische Wirtschaftswachstum hat sich seitdem auf stabile sieben Prozent eingependelt. 

Noch im Januar rechnete Modi mit einer Niederlage

Jüngste Prognosen der Weltbank bestätigen die Fortsetzung dieses Trends auch für die kommenden Jahre. Einen nach dem verheerenden Anschlag von Awantipur drohenden fünften Krieg mit Pakistan wiederum konnte Modi mit einer wirksamen Politik des Säbelrasselns noch einmal abwenden.

Die gut 900 Millionen Wahlberechtigten dankten es Modi mit einer herausragend hohen Wahlbeteiligung von rund 67 Prozent – dem Höchststand in der indischen Parlamentsgeschichte – sowie mit einem Erdrutschsieg für die Nationaldemokratische Allianz (NDA), das konservative Bündnis aus 42 Parteien und politischen Gruppierungen, dessen herausragendes Zugpferd Modis hindunationalistische Bharatiya Janata Party (BJP), die Indische Volkspartei, darstellt. 

Von den 545 zu vergebenden Sitzen in der Lok Sabha errang die BJP allein 303; die NDA verzeichnete insgesamt einen Zuwachs um sechs Prozent auf 352 Sitze, was Modi in die Situation einer äußerst bequemen Mehrheit für die kommenden fünf Jahre versetzt. 

Doch auch die Vereinigte fortschrittliche Allianz (UPA), das Interessenbündnis rund um Rahul Gandhis Kongreßpartei (INC), durfte eine Verbesserung um drei Prozentpunkte und – dank des indischen Wahlsystems – gleich 31 neuer Mandate vermelden, wodurch die indischen Sozialdemokraten in der kommenden Legislaturperiode auf 91 Abgeordnete im Unterhaus kommen.

Brillant verstand es Modi, den im Zuge des Kaschmirkonflikts mit Pakistan aufbrandenden Patriotismus in den sozialen Medien gezielt für seine Agenda einzusetzen. Noch im Januar prophezeiten Umfragen der NDA mit 225 zu erwartenden Sitzen eine krachende Niederlage. „Als ich sagte, wir würden über 300 Mandate erreichen, haben die Leute mich verspottet“, jubelte der im Amt bestätigte Premier in seiner Dankesrede. „Unsere Erfolge sind jetzt für jeden sichtbar.“