© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/19 / 31. Mai 2019

Dorn im Auge
Christian Dorn

Und Herr Brüssel, wie sind jetzt die Verhältnisse nach der EU-Wahl?“ Die Frage der DLF-Moderatorin in „Europa heute“ an Korrespondent Peter Kapern klingt nach einer Art Freudschem Versprecher. Daß der Schoß noch fruchtbar ist, demonstriert derweil „Die Partei“ des Titanic-Teutonen Martin Sonnenborn, die auf ihrer Kandidatenliste Namen führt wie Lisa Bombe, Bennet Krieg, Kevin Göbbels, Tobias Speer, Elisabeth Bormann, Dietrich Eichmann, Andreas Keitel oder Fabian Heß. Damit, so Sonnenborn, wollten sie „verwirrte AfD-Wähler abfischen und sehr alte, demente CDU-Wähler“. Das Bild am Wahlabend in der CDU-Zentrale des Konrad-Adenauer-Hauses zeigt dagegen aalglattes politisches Jungvolk, das besinnungslos dem eigenen Stimmenverlust entgegenklatscht. Etliche tragen T-Shirts mit der Aufschrift „Jung. Frei. Europäisch.“ Kaum spricht Spitzenkandidat Manfred Weber den ersten Satz: „Die europäische Demokratie lebt“, wird er sogleich von Applaus und Jubelrufen unterbrochen. Darauf folgen die bewährten Framing-Floskeln des Brüsseler Betriebs, als Weber einen „klaren Trennstrich“ zieht „zu rechten und linken Parteien, die Europa ablehnen“. Tatsächlich erinnert diese EUdSSR-Propaganda an die DDR-Diktatur, da jegliche Kritik konkreter gesellschaftlicher Mißstände als Angriff auf die Friedenspolitik der DDR verstanden wurde mit der Gegenfrage: „Bist du denn etwa nicht für den Frieden?“ Im Obergeschoß jedenfalls hat der leidenschaftlichste „Europa-Politiker“ der CDU seinen Frieden gemacht, das zeigt das kurze Gespräch mit einem sichtlich aufgeräumten Elmar Brok. Vielleicht hat er ja das „Besinnungs-Los“ gezogen. 


Dieses fehlt der Linken, die bis heute unverhohlen das Marxsche Diktum von der „Expropriation der Expropriateure“ anstrebt, so auch Kandidatin Martina Michels, deren Plakat das Motto „Macht Europa sozial“ trägt. Bei der Abschlußkundgebung auf dem Alexanderplatz fordert sie „Wohnungsunternehmen zu enteignen, die sich nicht ans Grundgesetz halten.“ Um das selbst bestimmen zu können, ist natürlich ein neuer Demos erforderlich. Für diesen sorgt das Berlin Boom Orchestra, das auf der Bühne gegen AfD, Pegida und andere nationale Kritiker hetzt mit der Titelzeile: „Wer haut dem Volk aufs Maul“. Darauf das Lob des Moderators: „Ganz entspannte Musik dieses Reggae!“ – und in der Tat natürlicher als tags zuvor das schwule Boygroup-Getue Mark Forsters (Fred-Jay-Preis-Verleihung), den der afrodeutsche Musiker neben mir mitleidig als „Xavier Naidoo für Weiße“ tituliert.