© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/19 / 31. Mai 2019

Lauter letzte Mohikaner
Musikalisch-literarische Soiree: „Lebenswerte“ mit Michael Klonovsky und der Pianistin Elena Gurevich
Matthias Matussek

Martin Mosebach las bereits hier, ich ebenso (die Zeit nutzte es zu einer Vernichtung), diesmal beehren gleich zwei Künstler das Einfamilienhaus in Köln-Marienburg. Hubertus Erfurt, ein Kunst- und Antiquitätenhändler, beliebt es, dort einen Salon auszurichten. An diesem Abend zu Gast: Michael Klonovsky, Autor des Buches „Lebenswerte“, und seine Frau, die Klaviervirtuosin Elena Gurevich, die mit Mussorgski, Mozart, Chopin und anderen begleitet. 

Was heißt begleitet, sie wird die funkelnden Prosastücke mit erneutem Glanz überstahlen, das wird ein einziges Ineinanderweben werden und ein Dialog, der in seltener Melancholie noch einmal beschwört in unserer Welt der „Spätmenschen“ (Nietzsche), was wir zu verlieren drohen: unseren Schönheitssinn, unsere Achtung vor den kulturellen Leistungen der Vergangenheit, Tradition und Kunst und Lebensart, ohne die wir uns selber verlieren.

Es ist ein gutbürgerlicher Salon, Professoren, Unternehmer und Anwälte, ein Filmproduzent, der Pfarrer aus der Nachbargemeinde, Bildungsbürgertum, Bildungsadel, lauter letzte Mohikaner. 

Eine Liebeserklärung an das gebundene Papier

Hubertus Erfurt liebt die schönen Dinge und ist daher Klonovskys Bruder im Geiste, ach eigentlich sind es alle an diesem Abend, der somit eine Art Widerstandsnest bildet gegen Fastfood, Badelatschen und Kaufhaus-Muzak, gegen die brummdummen Wahlplakate sowie allerlei sonstige Belästigungen und Zumutungen.

Einführende Worte des Hausherrn, dann nimmt Michael Klonovsky, dunkler Zweireiher, Weste, Einstecktuch, Aufstellung vor einem wanddeckenden Bücherregal, wo sonst. Elena Gurevich sortiert ihr Kleid auf dem Schemel vor einem Blüthner-Flügel, und selbstverständlich beginnt die Soiree mit einer Hymne auf den Lebenswert „Bücher“ und mit einem begeisterten Ausruf Peter Handkes: „Was für eine Herrlichkeit war bei uns zu Hause ein Buch!“ 

Um mit einer Liebeserklärung an das „gebundene Papier“ fortzufahren, das Klonovsky „noch knapp vor dem Wein, der Musik und den Dessous für die höchste Kulturtat des Menschengeschlechts“ hält, ein Gesang auf Haptik und Geruch, auf Satzprägung und Frontispiz und natürlich das Lesebändchen und wenn möglich mit Goldschnitt, denn auch die Ausstattung gehört zur Wertschätzung, die bei einem jährlichen Ausstoß von über 70.000 Büchern notgedrungen auf der Strecke bleibt – und da ist der Inhalt noch mit keiner Silbe berücksichtigt.

Unterdessen schweift der Blick über die Bücherwand, man denkt unwillkürlich an die eigenen Lieblingsbücher, ihre lange anhaltenden und möglicherweise lebensändernden Nachwirkungen und mitten hinein hören wir die sanften Klänge aus dem zweiten Satz der „Pathétique“ Beethovens, Klänge, die erneut träumen lassen unter den behutsamen Tasten-Anschlägen der Gurevich.

Folgerichtig die Überleitung zum Lebenswert „Klaviermusik“, die Klonovsky nicht nur durch seine Lebensgefährtin zur täglichen Kost wird, nein, darüber hinaus zur Leidenschaft und zur allerschönsten Besessenheit, die Konzertbesuche und vergleichende Aufnahmen der Großen wie Horowitz, Brendel oder Pollini mit einschließen.

Folgt der Lebenswert „High Heels“, die Elena Gurevich wildschön am Flügel so selbstverständlich trägt wie Dirk Nowitzki seine Turnschuhe in der Halle. In Kaliningrad, erzählt Klonovsky beglückt, könne man in der Altstadt keinen Schritt über die Kopfsteinpflaster tun, ohne Frauen zu begegnen, die „sich zurechtgemacht haben“ und ergo völlig unteremanzipiert nicht in Pluderhosen und Havaianas latschen, sondern auf Stilettos balancieren. Frauen sind nicht „ein dekoratives Geschlecht“, verbessert er Oscar Wilde, sondern das dekorative Geschlecht, für das Männer Dächer bauen, damit sie nicht naß werden, Sinfonien komponieren, Gedichte schreiben oder sich auf den Mond schießen lassen. Eifriges Nicken in der Runde, auf den restaurierten Stilsesseln, auf dem Sofa unter dem riesigen Jagdstilleben eines flämischen Künstlers um 1700, und prompt hebeln die hohen Absätze Elena Gurevichs die Fußspitzen auf die Pedale in einen feurigen Cancan aus Offenbachs „Orpheus in der Unterwelt“. 

Es folgen weitere Werte wie Kirche, Geschichtssinn, Essen, Italien und Heiterkeit, und nach einem Büffett und Stunden angeregtester Bestätigungen verlieren sich die Gäste in die Nacht, und Elena Gurevich gibt den Gebliebenen Zugaben auf Zuruf, und als sie sich in Schumanns „Träumerei“ verliert, seufzt selbst der Deutsche Langhaar zu Füßen seines Besitzers, eines passionierten Jägers.

Ein Kritiker der Zeit schrieb über Michael Klonovsky, der – begleitet von Elena Gurevich – am 1. Juni im Münchner Gasteig und am 26. September in Hamburg aus seinem Roman „Land der Wunder“ lesen wird, „kaum ein deutscher Autor ist auf solch geschliffene Art reaktionär“. 

Aber was denn sonst? Konservativ wäre falsch, denn wer will schon Genderei und Klimareligion bewahren? Alles an diesem Abend ruft den Verluderungen der Moderne entgegen: Zurück! 

Lebenswerte Elena Gurevich & Michael Klonovsky  www.michael-klonovsky.de