© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/19 / 31. Mai 2019

Umwelt
Nicht nur Schädling
Paul Leonhard

In den Wäldern tobt nach einem milden Winter der Kampf gegen Borkenkäfer. Von den Landratsämtern wurden Verfügungen zur Erfassung und Bekämpfung von „holz- und rindenbrütenden Schad­erregern“ erlassen. Den Besitzern von Nadelwäldern werden saftige Bußgelder angedroht, wenn diese nicht alle zwei Wochen ihre Bestände sowie bereits aufgearbeitetes Nadelholz auf Käferbefall kontrollieren und dies dokumentieren. Von dem Schädling befallenes Holz ist schnell abzutransportieren, festgestellter Käferbefall den Forstämtern zu melden. Im Nationalpark Harz wird dem Borkenkäfer in einem 500-Meter-Streifen zu Leibe gerückt. Dies geschieht durch die schnelle Beseitigung oder Schälen befallener Bäume. Allerdings ist diese Methode umstritten, weil so auch die natürlichen Freßfeinde des Borkenkäfers verschwinden: Langbeinfliegen und Schlupfwespen.

Der Borkenkäfer kann auch Geburtshelfer neu entstehender naturnaher Wälder sein.

Diese legen ihre Eier auf der Rindenoberfläche befallener Bäume ab. Später bohren sich die Larven zu den Borkenkäferbrutgängen durch und fressen an Käferlarven und -puppen. In den Kerngebieten vieler Nationalparks läßt man den Borkenkäfer dagegen gewähren. So sind in der Böhmischen Schweiz Baumfällungen wegen Borkenkäferbefalls seit diesem Jahr verboten. Auch im angrenzenden Nationalpark Sächsische Schweiz hat man längst erkannt, daß die großen Borkenkäferpopulationen mit den in den 1920er Jahren großflächig angepflanzten Fichten zusammenhängen. Denn der ursprüngliche Mischwald mit Kiefern, Buchen, Eichen, Ebereschen, Ahorn und Tannen ist gegen Trockenheit und Borkenkäferbefall weitgehend immun. Daß Flächen voller Totholz mitunter Naturfreunde verstören, nimmt man dabei in Kauf. Überraschend schnell entwickelt sich eine vielfältige und strukturreiche neue Waldgeneration.Der Borkenkäfer ist somit der Geburtshelfer neu entstehender naturnaher Wälder.