© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/19 / 07. Juni 2019

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Das Beste ist gerade gut genug
Paul Rosen

Die Geschichte liest sich wie aus dem Schlaraffenland, nur daß keine gebratenen Tauben durch die Luft fliegen, sondern teure Smartphones, Tablets und Füllfederhalter über den Tisch geschoben werden. Die Rede ist vom Deutschen Bundestag, dessen 709 Mandatsträger besondere Vorteile genießen. Sie haben sich nicht nur eine Kostenpauschale zur Deckung von Büroaufwendungen, Mieten und sonstigen Ausgaben genehmigt, von der man meinen könnte, sie sei mit 53.000 Euro im Jahr hoch genug. Zumal diese zusätzlich zu den Diäten gezahlte Summe auch noch steuerfrei ist. 

Nein, das reicht noch nicht, sondern jeder Volksvertreter darf aus einem „Sachleistungskonto“ schöpfen, das zu jedem Jahresbeginn mit 12.000 Euro für den Büroalltag befüllt wird: Papier, Umschläge und Schreibgeräte. Briefmarken müssen sie jedoch selbst bezahlen. Dafür gibt es sogar einen Extraschalter der Post im Bundestag. Hier merkt man, wie sparsam Politiker sein können: Warteschlangen wie am öffentlichen Postschalter in der Friedrichstraße oder am Bahnhof Zoo gibt es hier nicht. Als Abgeordneter verschickt man lieber E-Mails. Die kosten kein Porto. 

Dafür kommt die Abrechnungsstelle für das Sachleistungskonto zu bestimmten Zeiten kaum mit der Bearbeitung der eingereichten Rechnungen und Bestellungen nach. Weihnachtszeit ist Geschenkezeit - und das ist auch an den Entnahmen aus dem Sachleistungskonto zu merken, wie der Bund der Steuerzahler herausgefunden hat. Wurden zwischen Januar und Oktober vergangenen Jahres durchschnittlich 466.000 Euro von Abgeordneten pro Monat abgerechnet, so stieg die Summe im November auf 872.000 Euro, und im Dezember kamen sage und schreibe Rechnungen über rund 1,5 Millionen Euro beim Bundestag an. 

Der MdB-Wunschzettel ähnelt dem der meisten Bundesbürger, so daß man die Volksvertreter in dieser Hinsicht nicht als abgehoben bezeichnen kann: So wurden im November und Dezember vergangenen Jahres Rechnungen für 171 Laptops, 323 Smartphones und für 247 Tablets eingereicht. Die Bundestagsverwaltung könnte die zahlreichen Telefonzellen im den Bundestagsgebäuden (dort kann kostenlos telefoniert werden) endlich außer Betrieb nehmen, wenn die Abgeordneten so viele Handys haben. Übrigens trägt der Steuerzahler auch die Rechnungen für Anschlüsse und Gebühren der Handys. Wer das Besondere liebt, kann auch edle Schreibgeräte im Bundestag ordern und nach Belieben nutzen. Die in der Vor-Smartphone-Zeit übliche Montblanc-Welle vor dem Fest dürfte in inzwischen abgeebbt sein, da die jüngere Generation der Abgeordneten und Angehörigen digitales Schreibgerät bevorzugt. So sind Fälle wie der aus dem Büro des damaligen Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU), aus dessen Sachleistungskonto zwischen 2006 und 2009 neun analoge Edel-Schreibgeräte gekauft worden waren, später nicht mehr bekannt geworden. 

Mag die Zukunft auch digital sein, der Griff nach den Edel-Marken bleibt: So orderten die Abgeordneten in 77 Prozent aller Fälle teure Produkte der Firma Apple.