© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/19 / 07. Juni 2019

Aus dem Fenster gelehnt
Nach Absage der Leipziger Jahresausstellung: Warum der Fall des Malers Axel Krause zu einem „Lehrstück über den Umgang mit Rechten in der Kunst“ wird
Paul Leonhard

Was unter dem landauf, landab von Künstlern und Kulturfunktionären in einer „Erklärung der Vielen“ beschworenen Toleranzprinzip der Offenheit und dem Wertekanon zu verstehen ist, bekommt derzeit der Leipziger Grafiker und Maler Axel Krause zu spüren. Dessen Fall, so prophezeit die Süddeutsche Zeitung vorige Woche, werde zu einem „Lehrstück über den Umgang mit Rechten in der Kunst“.

Am vergangenen Wochenende begann die Aufführung dieses Lehrstückes. Erst wurde Krause von der 26. Leipziger Jahresausstellung, die am 6. Juni eröffnet werden und bis Ende des Monats laufen sollte, ausgeschlossen, weil seine öffentlichen Äußerungen den ethischen Grundsätzen des die Ausstellung tragenden Vereins widersprechen würden, gleichzeitig trat der Vereinsvorstand geschlossen zurück. Einen Tag später wurde die Schau, die unter der Schirmherrschaft des SPD-Oberbürgermeisters stand, ganz abgesagt. Zuvor hatten mehrere Künstler dem Vereinsvorstand nahegelegt, eine „längst überfällige und ausstehende Positionierung gegen Haß und Intoleranz“ abzugeben.

Die wegen der „stark politisierten und aufgeheizten Stimmung“ abgesagte Aufstellung und die laufende Kampagne gegen Krause gehören zu jener „Gesinnungsdiktatur“, vor der in der Charta 2017 gewarnt wird. Diese hatte die Dresdner Buchhändlerin Susanne Dagen initiiert, unterschrieben von Autoren wie Cora Stephan und Uwe Tellkamp, nach dem es auf der Frankfurter Buchmesse zu Auseinandersetzungen zwischen rechten und linken Gruppen gekommen war. Axel Krause gehört zu den Mitunterzeichnern.

Der 60jährige gebürtige Hallenser gilt nicht nur als exponierter Künstler der Neuen Leipziger Schule, sondern ist überzeugter AfD-Wähler, in der parteinahen Desiderius-Erasmus-Stiftung als Kuratoriumsmitglied engagiert und hat auf seiner Facebookseite die AfD als „begrüßenswertes Korrektiv im maroden Politikbetrieb“ bezeichnet.

Für das linke Spektrum ist das mehr als genug, um Krause zu verurteilen. Zumal der Maler als „vorgewarnt“ gilt. Seine kritische Beurteilung der Einwanderungspolitik und eine Sympathiebekundung zur AfD genügten im Sommer 2018 der Leipziger Galerie Kleindienst, ihm die seit 14 Jahren bestehende Zusammenarbeit aufzukündigen.

Krause zeigte sich davon zwar beeindruckt, aber keine Spur von Reue. „Ich kenne einige Kollegen sowie Freunde und Bekannte mit anderer Profession, die eine ähnliche Meinung wie ich vertreten, jedoch sehr wohldosiert mit ihren Äußerungen umgehen, bis hin zur Selbstverleugnung“, schreibt er auf seiner Facebook-Seite: „Die Selbstzensur, wie wir sie in der DDR gelernt haben, um stromlinienförmig zum Karriere-Ziel zu gelangen, ist wieder eine nützliche Eigenschaft, die zu erlernen jeder nötig hat, der kritisch-unangepaßt und gleichzeitig erfolgreich sein will.“ Er werde sich aber weiterhin die Freiheit leisten, „zu denken und zu sagen, was ich will“.

Insofern ist das Dilemma jener nicht so bekannten 34 Künstler zu verstehen, die von einer Jury für die Jahresausstellung ausgewählt wurden, nun aber nicht ausstellen können. „Wir sind unter Druck gesetzt, weil der mediale Rummel um die Person, um die politische Haltung von dem Beteiligten, für alle schwierig zu tragen ist und letztlich dieser Druck dafür sorgt, daß wir uns selbst positionieren müssen“, beschreibt Mitaussteller Daniel Krüger die Situation vor dem Ausschluß Krauses.

Mitte Mai hatten sich mehrere Künstler in einem nicht öffentlichen Brief an den Vorsitzenden des Vereins Leipziger Jahresausstellung, den Grafiker und Maler Rainer Schade, gewandt. Dieser müsse ein „klares Zeichen für Pluralismus, Diversität und Humanismus“ setzen.

„Was wissen wir von anderen Künstlern, was diese privat oder politisch tun?“ hatte dieser damals noch in der Leipziger Volkszeitung entgegnet. Es gebe ja nicht nur das rechte Spektrum. „Wir können nicht die Gesinnung unserer Künstler recherchieren, um zu schauen, ob sie ausstellungswürdig sind.“ Man stelle Bilder aus und die „von Krause sind unverfänglich, haben nichts mit Politik zu tun“.

Eine reichliche Woche später sah sich der Vereinsvorstand zusammen mit seiner Rücktrittserklärung genötigt, in einer Pressemitteilung zu betonen: „Wir können an dieser Stelle nicht mehr die Kunst vom Künstler trennen. Die Ereignisse der letzten Tage haben uns die politischen Dimensionen der Auswahl der Bilder Axel Krauses vor Augen geführt.“ Politische Neutralität erweise sich in diesen Zeiten als unmöglich: „Der Verein bekennt sich zur Freiheit der Kunst.“

Krause selbst hatte betont, daß seine Kunst „keine unmittelbar politische“ sei: „Ich verarbeite keine tagespolitischen Themen in meinen Bildern.“ Wenn er aber die Verhältnisse in Deutschland kritisiere, dann tue er das aus der komfortablen Position eines Künstlers heraus, der wenig zu verlieren hat: „Wenn andere nachziehen wollen, können sie an meinem Beispiel beobachten, was passiert und welche Mechanismen in diesem Land greifen“, wenn sich einer unangemessen weit aus dem Fenster lehne.

„Kunst und Kultur müssen frei und kritisch bleiben können“, fordert Olaf Zimmermann, einer der Unterzeichner der „Vielen“-Kampagne. Als Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats betont er: „Wir müssen Solidarität zeigen, wenn Kunst, Kultur und Künstler sich bedrängt fühlen.“

Gilt dies auch für Künstler, auf die Druck ausgeübt wird, weil sie sich für die AfD engagieren? Die Debatte insbesondere über die Frage, wie politische Äußerungen von Künstlern zu bewerten und einzuordnen sind, ist längst entbrannt.