© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/19 / 07. Juni 2019

Frisch gepresst

Ezra Pound. Auch wer nichts über sein Lebenswerk, das verbale Universum der „Cantos“, weiß, hat sicher davon gehört, daß die US-Armee, als sie im Frühjahr 1945 Norditalien erreichte, den Schöpfer dieser Weltdichtung verhaftete und in einem eigens für ihn gebauten Käfig ausstellte. Ezra Pound (1885–1972), der auf diese Weise die rauhe Seite praktizierter „westlicher Werte“ erlebte, wurde anschließend der Prozeß wegen Landesverrats gemacht, der für ihn nur deshalb nicht am Galgen endete, weil sich ein Psychiater fand, der Unzurechnungsfähigkeit attestierte. Was man dem seit 1924 in Italien lebenden Poeten vorwarf, war seine für Mussolini und das faschistische Regime werbende, radikal antiamerikanische und antikapitalistische Radiopropaganda während des Zweiten Weltkrieges. Dieses Engagement, von dem Pound, der nach der Entlassung aus der Heilanstalt 1958 nach Italien zurückkehrte, sich nie distanzierte, ist zum festen Bestandteil der Rezeptionsgeschichte geworden, behindert aber die Wirkung des Werkes heute immer weniger. Davon zeugt der verlegerische Mut, den „Geist der Romantik“ (1910), Pounds frühe poetologische Programmschrift, erstmals in deutscher Übersetzung herauszubringen. Der Großessay, der „Romantik“ nicht auf eine Epoche beschränkt, entfaltet Pounds hochspekulative Künstlermetaphysik, die, wie der Übersetzer Florian Scherübl im Nachwort andeutet, auch bereits politisch-weltanschauliche, gegen die kapitalistische „Wucher-Herrschaft“ revoltierende Dispositionen verrät. (wm)

Ezra Pound: Der Geist der Romantik. Wolff Verlag, Berlin 2019, gebunden, 334 Seiten, 19,90 Euro





Mittelstand. Der libertäre Journalist Michael Brückner nimmt das hoch oben auf der Agenda geführte Streben nach „sozialer Gerechtigkeit“ in den Blick – in jüngster Zeit nicht mehr nur von der politischen Linken. Ohne die Idee des Sozialstaats komplett zu negieren, sieht er jedoch alles andere als eine Gerechtigkeitslücke, und wenn, dann gilt diese für den Mittelstand. Diese Gruppe „vom Staat entmündigter und ausgebeuteter Bürger“ ächze bereits jetzt im Umverteilungssystem, bei dem viele Nutznießer einer gewerkschaftlich und von NGOs gesteuerten Sozialindustrie profitierten und mit ihren gezielten Neid-Debatten unsere Gesellschaft spalteten. (bä)

Michael Brückner: Die Gerechtigkeits-Lüge. Verlag Frank & Frei, Wien 2019, broschiert, 97 Seiten, 8,90 Euro