© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/19 / 07. Juni 2019

Knapp daneben
Lukrative Enteignung
Karl Heinzen

Wem gehört Berlin?“ heißt eine vom Tagesspiegel und dem Recherchezentrum „Correctiv“ initiierte Kampagne, die den Hauptstädtern Klarheit darüber verschaffen soll, wer der Eigentümer ihrer Mietwohnungen ist. Mitunter kennen sie den ihren ja bereits, dann sollen sie ihr Wissen bitte den Ermittlern bereitstellen, damit geprüft werden kann, ob der Immobilienhai womöglich auch noch aus anderen Objekten Profite schlägt. Ist er unbekannt, wird die helfende Hand geboten, ihn ausfindig zu machen.

Die Fleißarbeit der Journalisten hat schon manch interessantes Detail ans Licht gebracht. Die jüngste Enthüllung mußte die britische Milliardärsfamilie Pears über sich ergehen lassen. Offenbar ist es ihr über ein steuerminderndes Netzwerk von Firmen gelungen, mehr als 3.000 Berliner Mietobjekte unter ihre Fittiche zu bringen. Damit überschreitet sie den Schwellenwert, den das von der Linken unterstützte Volksbegehren „Deutsche Wohnen und Co enteignen“ für gerade noch akzeptabel hält und muß um ihren mühsam zusammengekauften Besitz bangen. 

Wer darauf vertraut, daß die Stadt mit der Wohnungsverwaltung scheitert, kann bald billig zurückkaufen

Auf Eigenbedarf wird sie kaum pochen können. Wie viele Mitglieder die Familie Pears zählt, ist zwar unbekannt, es darf aber als unwahrscheinlich gelten, daß die Wohnungen angeschafft wurden, um Zuflucht zu bieten, falls der Brexit fatal enden sollte. So tief können britische Milliardäre nicht sinken, daß es sie, und wäre die Not noch so groß, in eine Currywurstmetropole zieht.

Vielleicht hat die Familie Pears aber auch ein vitales Interesse daran, in den Kreis der Enteignungskandidaten aufgenommen zu werden. Irgendwann wird die Immobilienblase platzen, und die Preise rauschen in den Keller. Irgendwann hat es sich bis in den letzten Winkel der Welt herumgesprochen, daß es sich nicht lohnt, in Berlin zu leben. Dann wandern wieder mehr Vernünftige ab als Irre zuziehen, und die Mieten sinken. Nur wer zeitnah enteignet wird, kann eine lukrative Entschädigung einstreichen. Und mehr noch: Er darf darauf vertrauen, daß die Stadt in der Verwaltung der Wohnungen scheitert und er sie schon in ein paar Jahren zum Schnäppchenpreis zurückkaufen kann.