© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/19 / 14. Juni 2019

Macht zu die Tür
Kirchentag: Beim größten evangelischen Laien-Treffen darf nicht jeder aufs Podium
Christian Vollradt

Volles Haus herrscht in evangelischen Kirchen jenseits des Heiligen Abends eher selten. Der Anteil der Gottesdienstbesucher unter den rund 20 Millionen Mitgliedern von Landeskirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist seit Jahrzehnten rückläufig und beträgt derzeit etwas mehr als drei Prozent. Mitgliederschwund, Pfarrermangel, Gemeindefusionen – das sind die unangenehmen Begleiterscheinungen. Kein Wunder, daß dann die Besucherzahlen der alle zwei Jahre stattfindenden Kirchentage regelmäßig als Beweis für die These, es gehe auch anders, herangezogen werden. Wenn kommende Woche das protestantische Laien-Treffen in Dortmund eröffnet, rechnen die Veranstalter mit 200.000 Besuchern am „Abend der Begegnung“. Und selbst für den Abschlußgottesdienst am 23. Juni werden 100.000 Teilnehmer erwartet.

Kirchentagspräsident Hans Leyendecker verweist außerdem darauf, daß ein knappes Drittel der Leute, die zum Kirchentag kommen, unter 30 Jahre alt ist und man sich auch dadurch sehr von den häufig stark überalterten Gemeinden abhebe. „Der Kirchentag hat sich auch immer unterschieden von dem, was in der Kirche passiert“, meinte der frühere Enthüllungsjournalist. Das gilt indes weniger für den Trend zum Zivilreligiösen, der beim Kirchentag schon seit Jahrzehnten zu beobachten ist. Auch diesmal in der Ruhrgebietsmetropole soll viel über Klimaschutz und Kohleausstieg, über Migration und Rechtspopulismus geredet werden.

Begeisterte beim Kirchentag 2017 in Berlin noch der amerikanische Ex-Präsident Barack Obama die Zuschauer, so könnte die Rolle des Stargasts diesmal Grünen-Chef Robert Habeck zufallen. Klar, daß auch Luisa Neubauer von „Fridays for Future“ als „junge Aktivist*in“ angekündigt wird. Außerdem mit dabei: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Kanzlerin Angela Merkel sowie unter anderem die Ministerpräsidenten von Bayern und Baden-Württemberg, Markus Söder (CSU) und Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen). Sie sollen über das Thema „Was ist noch konservativ? Was ist schon rechtspopulistisch?“ auf dem Podium diskutieren.

Der Theologe und Historiker Benjamin Hasselhorn („Das Ende des Luthertums?“) kritisierte jüngst in einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel die grassierende „Politisierung“ und „Banalisierung“ der christlichen Botschaft, wie sie in vielen evangelischen Kirchen anzutreffen sei. Kirchliche Weltverbesserungsvorschläge gebe es zuhauf, gepaart mit einer Wohlfühltheologie, die sich längst von den – nur noch pro forma gültigen – lutherischen Bekenntnisschriften verabschiedet habe. 

„Erkennbar auf seiten des linksgrünen Spektrums“

Das ficht die Verantwortlichen des Kirchentags offenbar kaum an. Politik und Politiker werden vielfältig vertreten sein. Beispielsweise die Bundesarbeitsgemeinschaft Christinnen und Christen der Partei Die Linke, die Rosa-Luxemburg-Stiftung, aber auch die zeitweilig im Visier des Verfassungsschutzes stehende kommunistische „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten“. Nicht dabei dagegen wird die AfD sein. Bereits im vergangenen Jahr hatte die Kirchentagsleitung beschlossen, der „rechtspopulistischen Partei kein Forum zu bieten“. Vertreter der AfD würden „nicht zur Mitwirkung auf Podien und zu Diskussionsveranstaltungen des 37. Deutschen Evangelischen Kirchentages in Dortmund eingeladen“, hieß es im damaligen Präsidiumsbeschluß. 

Damit wich man auch von der Minimalpräsenz bei der Vorgängerveranstaltung in Berlin ab, als – noch vor dem Einzug der AfD in den Bundestag – die damalige Sprecherin der Christen in der AfD, Anette Schultner, mit dem Berlin-Brandenburgischen Landesbischof Markus Dröge diskutiert hatte (JF 23/17). Zwar verstehe man sich als „offenes Forum für faire Debatten“, doch könne man niemanden dulden, der gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit verbreite, wurde der Beschluß begründet. Und schließlich gebe es in der AfD mittlerweile einen fließenden Übergang zum Rechtsextremismus.

Persönlich enttäuscht von dieser Ausgrenzung zeigte sich der kirchenpolitische Sprecher der AfD-Fraktion im Bundestag, Volker Münz: Der Kirchentag habe sich damit selbst ein „Armutszeugnis“ ausgestellt. Leyendecker betonte, man verbinde mit dem klaren Nein zu AfD-Repräsentanten eine klare Einladung auch an Anhänger der AfD.   

In einem am Dienstag vorgestellten kirchenpolitischen Papier der thüringischen AfD-Landtagsfraktion („Unheilige Allianz – Der Pakt der evangelischen Kirche mit dem Zeitgeist und die Mächtigen“) kritisierten AfD-Landespolitiker die Dialogverweigerung der Kirchenführung und deren politische Einseitigkeit. Sie stünde „erkennbar auf seiten der Parteien des linksgrünen Spektrums“, heißt es darin. Statt als Kirche Jesu Christi geriere sich die protestantische Amtskirche als „ideologisches Sprachrohr“. 

Kritik am Ausschluß von AfD-Vertretern auf dem Kirchentag hatte bereits im vergangenen Jahr der Bischof des Sprengels Mecklenburg und Pommern in der Nordkirche, Hans-Jürgen Abromeit, geübt. So richtig es sei, auf Abstand zu der Partei zu gehen, glaube er, „daß gerade der Kirchentag, der ein sehr großes, weites Dialogforum ist, sich hier eine Chance vergibt“. Für den Fraktionsvorsitzenden der AfD im Schweriner Landtag, Nikolaus Kramer, ist dies ein Beweis, daß es „einzelne Vertreter der Amtskirchen ehrlich mit der politischen Neutralität meinen“. Die Kirche insgesamt mische sich dagegen zu oft in politische Belange ein, sagte Kramer am Dienstag.

 www.kirchentag.de