© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/19 / 14. Juni 2019

Denn die Klinge ziert den Mann
Debatte um ein Messerverbot: Einen Vorstoß norddeutscher Länder im Bundesrat werten viele Bayern parteiübergreifend als Angriff auf ihre kulturelle Identität
Thorsten Brückner

In vielen bayerischen Biergärten ist es bis heute üblich, sich seine Brotzeit selbst mitzubringen. Aufgeschmissen ist dann, wer sein Brotzeitmesser zu Hause vergessen hat. Wie gering im Norden der Republik das Verständnis für bayerische Lebenskultur ist, haben die Bundesländer Niedersachsen und Bremen nun mit einer Bundesratsinitiative bewiesen: Alle Messer mit einer Klingenlänge über sechs Zentimeter wollen sie verbieten.

Bisher lag die Maximallänge für stehende Klingen bei zwölf Zentimetern. Auch sogenannte Messerverbotszonen an belebten öffentlichen Plätzen sollen nach dem Willen der von SPD-Ministerpräsidenten regierten Bundesländer eingerichtet werden. „Niemand braucht ein Messer im Umfeld von Schulen, im Bus oder am Bahnhof“, glaubt der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) zu wissen. In Bayern hält man von solchen Ideen erwartungsgemäß und parteiübergreifend herzlich wenig. „Aus Sicht der bayerischen Staatsregierung bestehen gegenüber der konkreten Initiative erhebliche Vorbehalte“, sagte Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU). 

Im Gespräch mit dem Spiegel wurde Herrmann noch deutlicher: „Das ist ideologischer gesetzgeberischer Aktivismus, den ich entschieden ablehne.“ Ein Mehr an Sicherheit sieht er durch den Vorschlag nicht. Auch Innenminister Joachim Herrmann (CSU) steht auf diesem Standpunkt. „Pfadfindermesser oder die Hirschfänger der Trachtler sind sicher nicht das Problem“, stellte er gegenüber dem Fränkischen Tag klar. „Wenn Herr Pistorius diese Lebensbereiche kriminalisieren will, werden wir dem auf keinen Fall zustimmen.“ Etwas zurückhaltender äußern sich die Freien Wähler. Ein grundsätzliches Messerverbot sei in der Praxis „schwer umsetzbar“, teilte der innenpolitische Sprecher der Partei im Maximilianeum, Wolfgang Huber, mit. Außerdem fehle für anlaßlose Kontrollen die Rechtsgrundlage. „Dies ist ein zu großer Eingriff in die Freiheit des Einzelnen.“ Ein generelles Verbot sei daher „nicht zielführend“.

Sogar Grüne sehen das Verbot kritisch

Auch im Volk formiert sich Widerstand. Vor allem Heimat- und Trachtenvereine machen mobil. Für deren Trachtenmesser sollen zwar weiterhin Ausnahmen gelten, doch so ganz davon überzeugt ist der Vorsitzende des Bayerischen Trachtenverbands, Max Bertl, da nicht. Er stellt gegenüber dem Bayerischen Rundfunk klar: „Die Messer haben wir in der kurzen Lederhose, hauptsächlich, aber auch in Volkstrachten gibt es manche Trachten, wo man auch ein Messer dabeihat. Das Messer ist Bestandteil der Tracht. Das gehört dazu wie alles andere.“ Auch die Stoßrichtung der außerparlamentarischen Verwalterin bayerischer Interessen ist eindeutig: „Ein weiterer Angriff aus Berlin auf die Traditionen Bayerns“, schimpfte die Bayernpartei und forderte zum Eintreten für die heimischen Traditionen auf. Bedenken kommen sogar von den bayerischen Grünen, die beim Verbotszug auf die Bremse treten. „Wir haben Bedenken, was die generelle Einführung von Waffenverbotszonen angeht“, heißt es von der Fraktionsvorsitzenden Katharina Schulze. Es seien „noch viele Fragen offen“. Bevor über das Thema entschieden werden könne, brauche es eine bundesweite Evaluation, ob Waffenverbotszonen überhaupt Auswirkungen auf die Kriminalitätsstatistik hätten.

Auffällig ist, was in der gesamten Diskussion kaum eine Rolle spielt, nämlich daß es sehr oft Migranten sind, die bei Tötungsversuchen mit Stichwaffen auffällig werden. Vor allem Afghanen und Syrer stechen hier buchstäblich heraus. Eine Statistik darüber führen allerdings nur vier Bundesländer. Auch Joachim Herrmann mahnt, die Herkunft der Täter nicht außer acht zu lassen. „Bei den Tätern handelt es sich zu einem überproportional hohen Anteil um Ausländer.“

Nur zehn Bundesländer erfassen die Messerattacken überhaupt statistisch; Bayern gehört nicht dazu. Eine bundesweite Erhebung des Bundeskriminalamts existiert nicht. Sie soll wohl erst ab 2022 kommen. In allen Ländern, die das Tatmittel Messer gesondert ausweisen, ist die Deliktzahl zuletzt gestiegen. Den moderatesten Anstieg gab es zwischen 2014 und 2017 in Schleswig-Holstein (plus 0,5 Prozent), den höchsten in Brandenburg (plus 55 Prozent). Auch die restlichen acht Bundesländer, die dem ARD-Magazin „Kontraste“ Zahlen übermittelt haben, verzeichnen ausnahmslos zweistellige Zuwächse.