© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/19 / 14. Juni 2019

Wer steckt dahinter?
Keine Angst vor Abmahnungen: Viele linksextreme Netzseiten haben kein Impressum
Christian Schreiber

Auf den ersten Blick hat die Seite etwas Journalistisches. Recherche-nord.com heißt ein Internet­auftritt, den man getrost als Denunziationsportal bezeichnen kann. Nach ihrer Selbstdarstellung handelt es sich „um ein unabhängiges Recherche- und Medienprojekt zum Themenfeld des militanten und organisierten Neonazismus.“ Auf der Seite finden sich neben zahlreichen Bildern von Veranstaltungen, die eindeutig dem neonazistischen Spektrum zuzuordnen sind, auch mehrere Galerien von AfD-Parteitagen. Die Berichterstattung über die Alternative für Deutschland nimmt einen breiten Raum ein. Dabei gelang es den „Investigativen“, die dem militanten linken Spektrum zuzuordnen sind, viele Nahaufnahmen zu veröffentlichen und mit Bildunterschriften zu versehen, die erstaunlich detaillierte Interna aus dem Parteileben der AfD beinhalten. 

Doch die Frage, wer da für wen recherchiert hat, läßt sich so leicht nicht beantworten. Dabei sind die rechtlichen Vorgaben eigentlich klar. Das Telemediengesetz (TMG) schreibt unter anderem vor, daß „geschäftsmäßige Online-Dienste“ ein Impressum aufweisen müssen. Darunter fällt eine journalistische Recherche nicht zwangsläufig, zumal sich auf der Seite von Recherche Nord keine Werbung befindet und die hinterlegten Dateien auch nicht zum Kauf angeboten werden. 

Kontakt vielfach über Verschlüsselung

Der Paragraph 55 des Rundfunkstaatsvertrages (RStV) zielt für die Impressumspflicht hingegen auf die Inhalte der Website ab. Danach benötigt ein Impressum, wer journalistisch-redaktionell gestaltete Inhalte online stellt, die zur Meinungsbildung beitragen können. 

Was dies in der Praxis bedeutet, ist allerdings umstritten. Sind beispielsweise Blogger Anbieter regelmäßiger journalistischer Inhalte? Geregelt ist allerdings, was ein ordnungsgemäßes Impressum beinhalten muß. Dazu gehören Vor- und Zuname des Inhabers der Internetplattform sowie die ladungsfähige Anschrift des Besitzers, also seine Wohnanschrift beziehungsweise der Geschäftssitz. Außerdem müssen Daten hinterlegt sein, die bei einer vorhandenen Frage schnelle Antworten in Form eines elektronischen Kontakts ermöglichen, beispielsweise via Telefon oder E-Mail. Recherche Nord versucht es offenkundig mit einem Trick. Die hinterlegten Handynummern sind verschlüsselt und würden „auf Nachfrage“ mitgeteilt. Als Pressesprecherin wird Marie Kunidtz genannt, bei der es sich nicht um eine reale Person, sondern um ein Pseudonym handelt. Als Verantwortlicher ist eine Person mit dem Allerweltsnamen Anton Heinrich gemeldet, auch hier gibt es keine Hinweise, daß es sich dabei um einen real existierenden Journalisten handelt. 

Eine absolut falsche Fährte wird damit gelegt, daß als Sitz der Organisation die Schweizer Stadt Zürich angegeben wird. Damit sollen potentielle Kläger offenbar gänzlich abgeschreckt werden, ein rechtliches Vorgehen gegen solche Internetauftritte ist ohnehin schwer. Zwar sieht der Gesetzgeber Ordnungsgelder bis zu 50.000 Euro vor, doch in der Realität ist eine Verfolgung schwierig. Bestes Beispiel hierfür sind die jahrelangen Versuche, die Betreiber der extremistischen „Enthüllungsplattform“ linksunten.indymedia abzumahnen. Die Strafverfolgungsbehörden sahen sich außerstande, die Betreiber ausfindig zu machen und auf die im Ausland stehenden Server zuzugreifen. 

Und so tummeln sich zahlreiche Seiten des ultralinken Spektrums gänzlich ohne Impressum im Netz, zumal sie teilweise sogar Unterschlupf bei eingetragenen Vereinen finden, wie dem „Braunschweiger Bündnis gegen Rechts“, das als Adresse die Geschäftsstelle des „VVN-Bund der Antifaschisten“ angibt. Die „kommunistische Gruppe“ roter-aufbau.de gibt lediglich eine E-Mail-Adresse an, und auch die linke „Recherche & Analyse“-Plattform exif-recherche.org, die das Bildmaterial von rechten Treffen und Veranstaltungen analysiert, hat nur ein Kontakt-Mailfach hinterlegt. Dabei stellen gerade hier die regelmäßigen Kurzmeldungen und Hintergrundberichte redaktionelle Inhalte dar.

Die Seite „Runter von der Matte“, die dazu aufruft, Neonazis in Sportvereinen zu outen, agiert gänzlich im Anonymen und bietet als Kontaktmöglichkeit lediglich ein verschlüsseltes Formular an. Die Benutzung sogenannter verschlüsselter PGP-Mails ist eine beliebte Maßnahme von Betreibern von Internetseiten, denen ein rechtlich einwandfreies Impressum fehlt. Auch die Antifa Nordost in der Hauptstadt arbeitet mit solch einer Verschlüsselung. Das Antifa Portal Düsseldorf, die Antifa Bochum sowie die Antifa Berlin sind ebenfalls ohne Impressum online. Teilweise stellen Jugendzentren wie das „Druckluft“ in Oberhausen ihre Meldeadresse für regionale Antifa-Gruppen zur Verfügung. Alle agieren in der Gewißheit, daß betroffene Personen und Organisatoren eine rechtliche Auseinandersetzung fürchten, da in den allermeisten Fällen die abgemahnten Betreiber nicht reagieren und kaum dingfest gemacht werden können.