© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/19 / 14. Juni 2019

Der Filterkaffee feiert Geburtstag
Der Klassiker unter den Maschinen wird 50, das Original 65 und das Prinzip 200
Alexander Glück

Kaffee zu filtern ist ein Ruf nach Entschleunigung. Zwar kommt kein Krümel in die Tasse und es wirkt sinnreich, aber das Ergebnis ist „dünn“ im Vergleich zum echten Aufbrüh-Geschmack, der im Espresso seine Vollendung findet. Trotzdem sind Filtermaschinen überaus beliebt. Der „Klassiker“ unter ihnen wird dieses Jahr 50, das deutsche Original 65 und das Prinzip 200 Jahre alt.

Zuviel darf sich die „Moccamaster“ des niederländischen Herstellers Technivorm nicht darauf einbilden, daß sie der Archetyp der Filtermaschine ist. Sie wird seit einem halben Jahrhundert technisch unverändert gebaut, kann repariert werden und wurde zum Geburtstag sogar in der Erstgestalt neu aufgelegt. Dabei ist sie keineswegs die erste automatische Filtermaschine. Die hieß Wigomat und kam 1954 auf den Markt – deutsch wie das Wunder von Bern. Etwas hübscher war sie auch, weshalb sie bei Sammlern hoch im Kurs steht. Aber mit der irgendwie protestantischen Kultur der Filtertüten ist es so eine Sache: Melittas „Schnellfilter“ hatten zu ihren besten Zeiten acht Löcher im Boden und filterten damit wirklich ruckzuck, aber dementsprechend dünn war das Ergebnis. Man ging daher bald zu Modellen mit einem, höchstens zwei Löchern über.

Seit Kaffee gefiltert wird, versucht man dieses Verfahren zu verbessern. In Vietnam bedient man sich dazu des „Phin“ genannten Filteraufsatzes für einzelne Tassen. Zunächst kommt süße Kondensmilch in die Tasse, dann der mit Kaffee gefüllte Aufsatz drauf, zuletzt heißes Wasser hinein. Das tröpfelt betulich, schmeckt dann aber so gut, daß bereits der gehobene Versandhandel dafür wirbt. Auch die Moccamaster versucht sich Zeit zu lassen und simuliert physikalisch Omas Schwallrate beim Handaufbrühen. Das hat ihr den goldenen Aufkleber einer Genießervereinigung eingetragen, der nun auf jedem Gehäuse klebt.

Der „richtige“ Geschmack mußte sich erst entwickeln

Kaffee zu filtern ist weder das beste noch das älteste Zubereitungsverfahren. Die Skandinavier und viele Amerikaner benutzen den von einem Pariser Blechschmied im Jahre 1819 erdachten Perkolator, in dem die Kaffeebrühe kontinuierlich zirkuliert, bis sie aussieht wie Erdöl. Berliner Szenelokale zelebrieren indessen den Handaufguß direkt vor dem Gast und bieten ganze Seminare an, Fachsimpeln über die richtigen Kreisbewegungen inklusive. Wieder andere versuchen es mit „Cold Brewing“: alles kalt, dafür dauert es zwölf Stunden.

Das eigentliche Problem ist, daß man zunächst überhaupt nicht wissen konnte, wie guter Kaffee schmecken soll. Espressomaschinen wurden erst entwickelt, um Zeit zu sparen. Das Ergebnis war schlimm, deshalb arbeitete man im zweiten Schritt am Geschmack. 

Eine echte Verbesserung der Zubereitungsart erfolgte jedoch erst 1819 durch die Anwendung der Perkolation, woraus sich später auch die Filtermaschinen entwickelten. Wahrscheinlich nutzte man Mitte des neunzehnten Jahrhunderts die enorme Heizkraft des Dampfs, um Kaffee und Wasser schneller zum Kochen zu bringen und dadurch Zeit zu sparen. 

Wenn es also schnell gehen und außerdem gut schmecken sollte, waren verschiedene Faktoren wichtig: gute Bohnen, eine besondere Röstung und Mahlung, ein bestimmter Temperaturbereich und ein bestimmter Druck. Technische Weiterentwicklung war zunächst nur durch Probieren möglich. Die erste „richtige“ Espressomaschine im heutigen Sinne wurde 1902 patentiert, das Modell „Tipo Gigante“ des Mailänders Luigi Bezzera. Mit einem Brühdruck von 1,5 bar ließen sich mit dieser Maschine bis zu acht Tassen Kaffee gleichzeitig erzeugen. Neu war zudem der Siebträger.

„Slow Food“, bevor es den Begriff gab

Längst machen die Kapselmaschinen mit gespielter Modernität den Filtergeräten Konkurrenz. Obwohl der „eigentliche“ Kaffeegeschmack mit Druck erzeugt wird, entdecken viele die Filtertechnik jedoch wieder. Vielleicht weil sie so unkompliziert ist. Oder weil sie an früher erinnert, als man den Steingutfilter auf die Kanne setzte und alle paar Minuten Wasser nachgoß. In der „Karlsbader Kanne“ tröpfelt es bis heute, der Filter ist dort ganz aus Porzellan. Das ist „Slow Food“ vom feinsten. Solcher Kaffee ist mollig, leicht, unverdächtig. Und unschädlich fürs Herz. Es könnte dann auch Kathreiner sein.