© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/19 / 21. Juni 2019

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Alle Macht den Räten?
Christian Vollradt

Es war eine turbulente Sitzung, die  ohne Ergebnis endete. Nach übereinstimmenden Berichten mehrerer Teilnehmer ging es hoch her, als sich am Mittwoch vergangener Woche zahlreiche Angestellte der AfD-Fraktion im Bundestag zu einer Mitarbeiterversammlung trafen. Der Plan der Initiatoren des Treffens, einen Betriebsrat zu gründen, ging nicht auf. Vorerst jedenfalls. Am Ende vertagte man sich. Ein nächstes Trefffen soll kommende Woche stattfinden, wenn auch der Bundestag wieder tagen wird.

Nun ist eine Mitarbeitervertretung in Bundestagsfraktionen nichts Ungewöhnliches, Union, SPD, Linkspartei und Grüne haben so etwas schon. Kurios indes ist die Vorgehensweise in der AfD. Denn die E-Mails, in denen für die Betriebsratsgründung geworben wurde, kamen aus dem Büro des Parlamentarischen Geschäftsführers (PGF) Hansjörg Müller – sozusagen von Arbeitgeberseite. 

Weil das für einige kritische Nachfragen sorgte, beeilte sich der Abgeordnete aus Bayern mit einer Klarstellung: Sein Büro, so schrieb Müller in einer E-Mail an die Fraktionsmitarbeiter, trete als „reiner Dienstleister bei der Organisation auf“. Aus dem Kreise derer, die eine Mitarbeitervertretung wünschten, sei man auf ihn zugekommen, um „möglichst lange hinter meinem MdB-Büro in Deckung bleiben zu können.“ Starker Tobak. Muß man einen Betriebsrat konspirativ gründen? Zumindest der eine PGF scheint davon überzeugt zu sein. Denn bereits im Januar hatte das Magazin Focus Müller mit den Worten zitiert, es herrsche in der Fraktion ein „Klima der Angst“, Mitarbeiter würden „schlecht behandelt“. Hinter vorgehaltener Hand mutmaßten andere Mitglieder der Fraktionsführung, dies sei eine Retourkutsche dafür gewesen, daß Müller im Herbst 2018 die Zuständigkeit für die Fraktionsfinanzen und später die für Personalfragen verloren hatte.  

Vielen Mitarbeitern in der Fraktion sprach offenbar aus der Seele, was der (oder die) Verfasser einer anonymen E-Mail dem Schreiben aus Müllers Büro entgegnete: Es liege die Vermutung nahe, daß der PGF wesentlich mehr sei als nur ein Dienstleister zum Mail-Versand. Offenbar mißbrauche er seine Stellung, so der Vorwurf, indem er sich „in Mitarbeiterangelegenheiten einmischt“. Das Motiv dafür sei nicht klar erkennbar. Mancher vermutet: Machtspielchen, die gegen andere im Fraktionsvorstand gerichtet seien. 

Bei der Versammlung vergangenen Mittwoch im Beisein eines ehemaligen Verdi-Funktionärs stritt man dann auch über die Frage, ob als erstes ein Wahlvorstand gewählt werden solle oder erst eine Urabstimmung – für oder gegen eine Betriebsratsgründung – stattfinden müsse. Und darüber, inwieweit ein Betriebsrat erzwungen werden könne. Die Verhandlungen darüber müssen nun kommende Woche fortgesetzt werden. Inzwischen hat sich – so war aus Fraktionskreisen zu erfahren – die Zahl der ursprünglich sieben Fraktionsmitarbeiter, die einen Betriebsrat gründen möchten, auf vier reduziert. In einem Fall wurde der Sinneswandel mit dem Verlauf der ersten Sitzung und der Einsicht, politisch mißbraucht worden zu sein, begründet.