© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/19 / 21. Juni 2019

Viel Rauch und Nebelkerzen
Konfrontationsherd Golf-Region: Tanker-Explosionen lassen die Welt erzittern, doch die Frage nach den Drahtziehern entzweit sie
Paul Leonhard

Im Nahen Osten droht eine unkontrollierbare Eskalation. Seit die USA das Atomabkommen mit dem Iran einseitig aufgekündigt, die Wirtschaftssanktionen gegen das Land verstärkt und Truppen an den Golf verlegt haben, gilt die politische Lage in der Region als extrem angespannt. „Wenn es etwas gibt, was die Welt sich nicht leisten kann, ist es eine große Konfrontation in der Golf-Region“, mahnt UN-Generalsekretär António Guterres. Nahostexperten warnen, daß eine militärische Konfrontation zwischen dem Iran und den USA oder einem seiner Verbündeten wie Saudi-Arabien oder den Vereinigten Arabischen Emiraten die gesamte Region erfassen würde.

Die USA würden eine direkte militärische Auseinandersetzung mit dem Iran zwar gewinnen, aber anschließend drohe ein asymmetrischer Krieg mit weltweiten Terroranschlägen, prognostiziert Jürgen Chrobog, ehemaliger Staatssekretär im Auswärtigen Amt, im Deutschlandfunk: „Die Iraner würden sich rächen.“

Peking, Moskau, Ankara und Brüssel auf einer Linie  

Noch ist unklar, was am 13. Juni die Explosionen auf zwei Tankern im Golf von Oman ausgelöst hat und wer dafür verantwortlich ist. Auch die Untersuchungen des Vorfalls vom 12. Mai, als vier Frachter vor der Küste der Vereinigten Arabischen Emirate angegriffen wurden, sind nicht abgeschlossen. Allerdings präsentierten die Emirate, Saudi-Arabien und Norwegen dem UN-Sicherheitsrat erste gemeinsame Ermittlungsergebnisse. Danach seien Taucher von Schnellbooten abgesetzt worden und hätten an den Schiffen Haftminen angebracht. Derartige Aktionen seien aber nur von „staatlichen Akteuren“ leistbar.

Der Iran wurde zwar explizit nicht genannt, aber für die USA war der Schuldige damit klar. Teheran sei für die Angriffe verantwortlich, sagte US-Sicherheitsberater John Bolton am 29. Mai. 

Auch nach den jüngsten Sabotageakten zeigten die Diplomaten in Wa-shington klare Kante: „Es ist die Einschätzung der US-Regierung, daß die Islamische Republik Iran verantwortlich für die Angriffe ist, zu denen es heute im Golf von Oman kam“, betonte  US-Außenminister Mike Pompeo am vergangenen Donnerstag und berief sich auf Geheimdienstinformationen. Dieser Einschätzung schloß sich zwei Tage später Großbritannien an: „Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ habe Teheran seine Finger im Spiel, teilte der britische Außenminister mit.

Die anderen Mitglieder des von den USA einberufenen UN-Sicherheitsrates folgten der Argumentation nicht, das vorgelegte Video, das iranische Revolutionsgarden bei der Demontage einer Haftmine am Tanker „Kokuka Courageous“ zeigen sollte, erwies sich als wenig aussagefähig. Weitere Beweise blieben die USA schuldig. Der Iran wies jegliche Schuld von sich.

China, Rußland, die Türkei und die Europäische Union plädieren wie Guterres für Zurückhaltung und „gründliche unabhängige Untersuchungen“. Das Angebot des UN-Generalsekretärs, persönlich zwischen dem Iran und den USA zu vermitteln, wurde aber von beiden Seiten ignoriert. Die Explosionen an den Tankern machten zudem einen Vermittlungsversuch des japanischen Premiers Shinzo Abe zunichte, der sich zu diesem Zeitpunkt in Teheran aufhielt, um im Nuklearstreit zwischen den USA und Iran zu vermitteln.

Der Japaner hatte eine an Revolutionsführer Ajatollah Ali Khamenei gerichtete Botschaft von US-Präsident Donald Trump im Gepäck, in der dieser mitteilte, keine weitere Eskalation im Konflikt mit dem Iran zu wünschen. Khamenei antwortete abweisend: „Trump ist es nicht wert, daß ihm Nachrichten überbracht werden, und ich habe keine Antwort für ihn.“

Damit hat der Revolutionsführer die aus Drohnungen und Verhandungsangeboten bestehende Strategie Trumps durchkreuzt. Es sei zu früh, auch nur darüber nachzudenken, einen „Deal zu machen“, twitterte Trump. Da Teheran nicht dafür bereit sei, sind „wir es auch nicht“.

Wenn Irans Präsident Hassan Rohani nach den Tankervorfällen betont, das Handeln der USA sei eine ernste Bedrohung für die Stabilität im Nahen Osten, dann dürften das andere wichtige Akteure im Nahen Osten ähnlich sehen. Insbesondere China appelliert zur Besonnenheit. „Wir wollen keinen Krieg in der Golfregion“, sagte Außenamtssprecher Geng Shuang. Alle Parteien sollten ihre Differenzen durch Dialog lösen sowie Frieden und Stabilität garantieren.