© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/19 / 21. Juni 2019

Und der Haifisch der hat Zähne
Medienmarkt: US-Investor KKR kauft Mehrheit am Axel-Springer-Verlag / Welt und Bild bringen relativ wenig Gewinn
Markus Brandstetter

Der Axel-Springer-Konzern verabschiedet sich von der Börse. Die Witwe Springers, Friede Springer, und Geschäftsführer Mathias Döpfner behalten ihre Anteile von 42,6 Prozent und 2,8 Prozent, während die freien Anteile von insgesamt 54,6 Prozent von der amerikanischen Investmentfirma KKR übernommen werden. Damit die Inhaber der freien Aktien aber auch wirklich verkaufen, bieten ihnen die Amerikaner 63 Euro je Springer-Aktie in bar. Das ist ein attraktives Angebot, wenn man bedenkt, daß der Kurs der Springer-Aktie zwischen Februar 2018 und Mai 2019 von 77 Euro auf 45 Euro gefallen ist und ohne KKR keine Besserung in Sicht war. 

Es ist also davon auszugehen, daß die freien Aktionäre dieses Angebot annehmen werden, Springer sich damit von der Börse zurückzieht und sich zukünftig im Mehrheitsbesitz eines amerikanischen Finanzinvestors befinden wird, der den Ruf hat, im Piranhabecken so etwas wie der Weiße Hai zu sein.

Konkurrenz zu Google bedrückt den Verlag

Für die deutsche Wirtschaftspresse und natürlich für Springers Chef  Döpfner hängt seither die Zukunft des Konzerns voller Geigen. KKR sei „mit seiner Erfahrung in der Medienbranche und der Digitalisierung der richtige Partner, um die Wachstumsstrategie des Konzerns voranzutreiben“, die darin bestehe, „weltweit führender Anbieter von digitalem Journalismus zu werden“, säuselt Springers PR-Abteilung. Und der Branchendienst Meedia berichtet, daß Springer damit „seinem Ziel nähergerückt sei, fit für die Zukunft zu werden“.

All dieser süße Wein enthält einen Schuß Wahrheit. Der drittgrößte deutsche Medienkonzern ist offenbar ohne einen massiven Kapitaleinschuß nicht fit für die Zukunft.

Nach diesem Offenbarungseid stellt sich die Frage, was der Grund dafür ist und wer schuld sein könnte. Für Döpfner ist der Fall klar: Nicht er ist der Grund, sondern die Suchmaschine Google, die seiner Meinung nach wie der mythische Höllenhund Zerberus vor allem steht, was im Internet gesucht, gefunden, gelesen und gekauft wird. Diese Meinung erzählt Döpfner seit seinem berühmten offenen Brief an Google („Warum wir Google fürchten“) im Jahr 2014 jedem, der es hören will, und das steht auch im Geschäftsbericht 2018 von Springer, wo es heißt: „Insbesondere der Wettbewerb durch die weltweit agierenden Internet-Großkonzerne Google, Apple, Facebook und Amazon, kurz GAFA genannt, nimmt kontinuierlich zu.“ Das ist zwar richtig, aber keineswegs alle Medienkonzerne, die mit den amerikanischen Internetgiganten konkurrieren, haben sich so schlecht behauptet wie Springer.

Springers Probleme heißen in erster Linie Bild und Welt. Döpfner ist bei Springer seit 17 Jahren am Ruder – und in seine Zeit fällt der katastrophale Auflagenverlust bei den beiden wichtigsten Zeitungen des Konzerns. Die Bild-Zeitung, die einmal von sechs Millionen Menschen am Tag gekauft wurde, ist unter Döpfners Ägide von vier Millionen auf 1,1 Millionen abgestürzt, und die Welt, einst nach der FAZ und vor der Süddeutschen Zeitung die wichtigste deutsche Tageszeitung, schrumpfte auf eine verkaufte Auflage von 70.000 Exemplaren, was nur noch doppelt soviel wie jene der seit Jahren dahinsiechenden taz ist. Die Zeitungen, einst Springers Vorzeigesegment, tragen heute zwar noch knapp die Hälfte zum Umsatz, aber nur mehr 30 Prozent zum Vorsteuergewinn bei.

Den Löwenanteil erwirtschafteten im Jahr 2018 die elektronischen Kleinanzeigen-Portale des Unternehmens mit 406,7 Millionen Euro von insgesamt 527,90 Millionen Euro, allen voran StepStone und die Immowelt Group. Springer hatte erkannt, daß sich das Anzeigengeschäft von den Printmedien ins Internet verschiebt. Aber das ist kein Ersatz für den einst felsenfest dastehenden Printsektor. Denn einmal hat man bei den Internet-Kleinanzeigen in der Scout24 AG einen mächtigen Konkurrenten, und zum anderen ist Springer nie dagegen gefeit, daß eine einfache Handy-App die mühsam hochgepäppelten Internetportale binnen weniger Jahre obsolet macht.

Schaut man sich Springers Konzern­ergebnisse der letzten Jahre an, dann wird man den geplanten Einstieg von KKR nicht als klugen strategischen Schachzug, sondern als Akt der Verzweiflung interpretieren müssen. Konzernumsatz und Vorsteuerergebnis stagnieren seit 2010, während sich die Gesamtverbindlichkeiten im selben Zeitraum verdoppelt haben und die Gesamtkapitalrendite auf magere 2,9 Prozent gefallen ist.

KKR kauft regelmäßig notleidende Unternehmen

Wer die rosaroten Pressemitteilungen rund um das KKR-Übernahmeangebot gelesen hat, der bekommt den Eindruck, daß kaum ein Mensch weiß, mit wem Springer sich eingelassen hat. KKR steht für drei Günder Jerome Kohlberg, Henry Kravis und George Roberts, wovon die beiden letzteren immer noch das Unternehmen führen. Es ist eine New Yorker Private-Equity-Firma, also ein Investmentunternehmen, das sich an meist notleidenden Unternehmen auf der ganzen Welt beteiligt mit der Absicht, diese Unternehmen in wenigen Jahren wieder auf Kurs zu bringen, um die einmal erworbene Beteiligung dann für ein Vielfaches zu verkaufen. KKR ist hochprofitabel, aber nur deshalb, weil die Amerikaner von allen Unternehmen, an denen sie sich beteiligen, strikte Kostendisziplin und die Maximierung von Umsatz und Gewinn verlangen, wofür sie mit harten Bandagen in das Management eingreifen. Gelingt KKR nicht in wenigen Jahren eine deutliche Wertsteigerung bei einem Investment, dann verkaufen sie Unternehmensanteile oft ebenso schnell, wie sie diese erworben haben.

Springer stehen also unruhige Zeiten bevor. Gut möglich, daß die einst solide und unspektakuläre alte Tante unter den deutschen Medienhäusern bald eine Metamorphose bis zur Unkenntlichkeit durchmachen wird.