© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/19 / 21. Juni 2019

Neue Jakobiner
Politische Bildung: AfD-nahe Stiftung richtete einen Kongreß zur Meinungsfreiheit aus
Martina Meckelein

Die Desiderius-Erasmus-Stiftung ist die Denkfabrik der AfD: Themen setzen, Perspektiven benennen, Strategien planen. Einer der wichtigsten gesellschaftspolitischen Aspekte ist zur Zeit das der Sprachverbote. Unter dem Titel: „Meinungsfreiheit. Anspruch des Grundgesetzes und politische Realität“, hatte Stiftungsvorsitzende Erika Steinbach vergangenen Samstag zu einem Kongreß nach Berlin eingeladen. 

„Wie kann es zu solchen Schlagzeilen in den letzten Wochen kommen?“ begrüßt Steinbach die rund 150 Zuhörer und zitierte eine FAZ-Überschrift aus dem Mai dieses Jahres: „Immer mehr Tabuthemen“. Dabei garantiere doch Artikel 5 des Grundgesetzes die Meinungsfreiheit, so Steinbach. Der Artikel bezieht sich auf eine Allensbach-Umfrage, in der fast zwei Drittel der Befragten angeben, man müsse im öffentlichen Raum sehr aufpassen, was man sage. 

„Das Syndrom Political Correctness“ nennt es Norbert Bolz, Medienwissenschaftler an der TU Berlin, auf dem Kongreß. Das Krankheitsbild setze sich aus Sprachhygiene, Sozialkitsch und politischem Moralismus zusammen. „Das ist die gefährliche Entwicklung“, so Bolz. Die Auswirkungen auf die Gesellschaft seien eine „hysterische Hypersensibilität“, gerade bei Akademikern, denen er keine gute Urteilsfähigkeit bescheinigt.

Appell an den gesunden Menschenverstand

In der Politik nimmt Bolz eine zunehmende Infantilisierung wahr. Als Beispiel nennt er die Überlegungen, Zwölfjährigen das Wahlrecht einzuräumen. Bolz, der sich selbst „der rechten SPD zurechnet“, watscht nicht nur Politiker ab. Journalisten bezeichnet er als Oberlehrer im Kampf gegen Rechts. Er kritisiert die Ideenlosigkeit der intellektuellen Meinungsführer, die kein anderes Thema als die AfD hätten. „Dann wird es schwer, Politik zu machen.“ Er sehe keine einzige linke Idee. Wobei niemand so reaktionär wie die Linke sei, die noch im 19. Jahrhundert lebe. Darüber hinaus befände sich Deutschland auf dem Weg in eine Tribunalisierung. Darunter versteht er die Unterscheidung in ein helles und ein dunkles Deutschland. Und das dunkle Deutschland stehe vor Gericht. „Wir haben es mit neuen Jakobinern zu tun“, sagt Bolz. Es sei fast unmöglich, nicht ständig in ein Fettnäpfchen zu treten. Doch Bolz interpretiert dieses „Hauen und Stechen“ als „verzweifelten Abwehrkampf der Linken“. Und das mache ihn optimistischer. 

Die Zeit des Meinungsmonopols des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sieht Bolz als beendet. Jugendliche schauten kaum noch Fernsehen. Er selbst könne sich einen Blick von der Welt nicht ohne Internetportale machen. Darüber hinaus appelliert er, den gesunden Menschenverstand zu benutzen. Ein kantisches: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ Bolz: „Das Internet wird Ihnen dabei helfen, die anderen Leute zu finden, die auch noch ihren gesunden Menschenverstand benutzen.“

Zu den weiteren Referenten der Tagung gehörten die AfD-Politiker Jörg Meuthen, Marc Jongen und Nicolaus Fest sowie Vera Lengsfeld und Karlheinz Weißmann.