© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/19 / 21. Juni 2019

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Psychiater: Bildungssystem verdummt Kinder

BONN. Das deutsche Bildungssystem verdummt Kinder und Jugendliche. Diese Ansicht vertritt der Bonner Kinderpsychiater Michael Winterhoff (64) in seinem neuen Buch „Deutschland verdummt. Wie das Bildungssystem die Zukunft unserer Kinder verbaut und wie wir das ändern können“ (Gütersloher Verlagshaus). In einem Interview mit dem Deutschlandfunk erklärte er kürzlich, 50 Prozent der Heranwachsenden hätten heute große Probleme, sich in die Arbeitswelt einzufinden. Ihnen fehlten grundlegende Fähigkeiten wie Arbeitshaltung, Sinn für Pünktlichkeit und das Erkennen von Strukturen und Abläufen. Der Grund dafür sei, daß das Bildungssystem vor 20 Jahren umgekrempelt worden sei. Dabei sei die Ideologie durchgesetzt worden, daß Kinder autonom lernen könnten. Dieses Konzept des „offenen Unterrichts“, schreibt er in seinem Buch, der Kindern heute „fast flächendeckend von der Bildungspolitik zwangsverordnet“ werde, „ist das Schlimmste, was ihnen passieren kann“. Die wichtigsten Kompetenzen für ein erfolgreiches Leben würden junge Menschen aber durch die Orientierung an Bezugspersonen erlernen. Wenn sie keine Beziehung zu Lehrern und Erziehern aufbauen könnten, lebten sie „quasi wie Kleinkinder in der Vorstellung: Ich kann alles bestimmen, ich kann alles steuern, ich muß mich auf niemanden einstellen und ich lebe nach Lustimpulsen“, so Winterhoff. Er habe in seiner Praxis häufig mit jungen Erwachsenen zu tun, die auf dieser Stufe der psychischen Entwicklung stehengeblieben seien. Der Psychiater wandte sich außerdem dagegen, Kinder schon in Kindergarten und Grundschule an Computer heranzuführen. In dieser frühen Entwicklungsphase sei es besser, ihre Kreativität zu fördern, indem man sie erst einmal „mit den Wahrnehmungsorganen die Welt wahrnehmen“ lasse. (idea/JF)