© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/19 / 21. Juni 2019

Rocking on heaven’s door
Christliche Rockbands erfreuen sich wachsender Beliebtheit
Boris T. Kaiser

Sex & Drugs and Rock ‘n’ Roll“, sind für viele noch immer der Dreiklang, dessen verführerisch sündiger Klang für die Mentalität eines ganzen Musikgenres steht. Innerhalb der Szene hat sich aber seit langem schon eine Gegenkultur gebildet, die so gar nicht in dieses Bild paßt und passen will, und dabei immer mehr Anhänger findet. Christlicher Rock ist inzwischen eine florierende Industrie, deren Platten hohe Chartpositionen erreichen und die für ausverkaufte Konzertsäle sorgt. 

Eine Band, die für die Entwicklung dieser christlichen Rockmusik sowohl was ihre Popularität als auch ihre stilistische Bandbreite angeht, geradezu exemplarisch steht, ist die Gruppe Skillet. Die 1996 in Memphis gegründete Band unterlegt ihre, mal mehr mal weniger eindeutig, christlichen Texte mit einem Mix aus elektronischer Musik und klassischem Hardrock. Nicht nur beim Klang, auch in der Ästhetik ihrer Videos orientieren sich die Bandmitglieder an ihren nichtchristlichen Rocker-Kollegen. Der Erfolg gibt ihnen recht. 2009 erreichte ihr Album „Awake“ Platz 2 der US-Charts. Die amerikanische Wrestling-Showpromotion „World Wrestling Entertainment“ verwendete in einer Kooperation mit der Band die Singleauskopplung „Hero“ und „Monster“ als Soundtrack für ihre Großveranstaltungen „Royal Rumble“ und „Hell In A Cell“ sowie für das Videospiel „WWE SmackDown! vs. RAW 2010“. Auch sonst hat die christliche Band wenig Berührungsängste mit der Moderne. 2017 durfte die amerikanische Counter-Strike-Liga E-League, den Song „Feel Invincible“ in ihren Livestreams verwenden. 

Deutlich weniger massenkompatibel sind dagegen einige Gruppen aus dem sogenannten „White Metal“ beziehungsweise „Unblack Metal“. In diesem Genre, das einst in Abgrenzung zum vermeintlich satanistisch geprägten „Black Metal“ gegründet wurde, legen viele Gruppen noch immer großen Wert auf ihre subkulturelle Unabhängigkeit. Dies zeigt sich vor allem auch in den Texten. Während viele christliche Bands aus dem „Mainstream“ auch Songs im Programm haben, deren Inhalte keine rein religiösen Botschaften haben, konzentrieren sich die musikalischen „Fundamentalisten“ deutlich stärker auf die Verbreitung biblischer Inhalte. Hier sind die Felder unter den christlichen Brüdern klar aufgeteilt. Während sich White-Metal-Bands, wie die deutsche Gruppe „Radiant“, vor allem auf rockig verpackten, positiven Lobpreis verstehen, widmet sich die „Unblack Metal“-Fraktion eher den düster-prophetischen Aspekten und „Hiobsbotschaften“ im Buch der Bücher. 

Als Begründer des Unblack Metal gilt der Australier Jayson Sherlock. Das 1994 vom ehemaligen Schlagzeuger der Bands Mortification und Paramæcium ins Leben gerufene Musikprojekt „Horde“ stieß mit seinen christlichen und explizit anti-satanistischen Texten auf enormen Haß, vor allem im norwegischen „Black Metal“. Wohl auch, weil er sich aus diesem nicht nur musikalische Anleihen holte, sondern auch immer wieder in von der Szene als Seitenhiebe verstandenen Anspielungen auf ihn Bezug nahm. 

Kritik von mehreren Seiten

Anfangs hielt man „Horde“ fälschlicherweise gar für eine Parodie auf das Genre. Ähnlich erging es den Hamburger „Jesus Skins“. Wobei bei den „Erfindern der christlichen Oi-Musik“ viele immer noch zweifeln, wie ernst die Punkrocker aus dem Dunstkreis der Ärzte Songs wie „77 heißt Grüß Gott“ oder „Für immer Christ“ Anfang der 2000er Jahre wirklich gemeint haben. 

Bis heute sehen sich christliche Rockbands immer wieder mit Kritik und Argwohn sowohl von christlicher Seite wie auch von überzeugten Atheisten konfrontiert. Die Vorwürfe reichen von „heuchlerischer Geldmacherei“ bis hin zu „radikal religiöser Indoktrinierung der Jugend“. Die Beliebtheit des Christenrocks ist derweil auch im deutschsprachigen Raum ungebrochen. Christliche Rockfestivals wie „Elements of Rock“ in der Schweiz oder das „Balinger Rockfestival“ und „Let’s Palm-Rock“ in Süddeutschland waren auch in diesem Frühjahr wieder gut besucht.