© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/19 / 28. Juni 2019

Evangelischer Kirchentag
Mißbrauchter Glaube
Thorsten Brückner

Die Gottesdienste sind leer, Pfarreien werden zusammengelegt, immer mehr Menschen treten aus. Doch einmal alle zwei Jahre ist die Protestantenwelt in Ordnung, wenn Zehntausende zum Kirchentag strömen. So zumindest die Selbstwahrnehmung der EKD. Die Realität sieht – das bewies der Kirchentag in Dortmund – anders aus. Trotz der zentralen Lage im größten deutschen Bundesland kamen so wenig Protestanten wie seit 1979 nicht mehr zum größten Laientreffen auf deutschem Boden. Vielleicht hat das auch damit zu tun, daß sich der Kirchentag längst nur noch an bestimmte evangelische Gemeindemitglieder richtet. Nämlich an solche, die bevorzugt grün wählen und im Erstarken der AfD die Rückkehr des Faschismus wittern. 

Die Christen, die sich dieser Blase zugehörig fühlen, kamen in Dortmund auf ihre Kosten. Allerdings nur sie. Der Rest mußte sich erdrückt fühlen von der Instrumentalisierung des Glaubens für linksideologische Forderungen, die sich wie ein roter Faden durch die Veranstaltung zog. Für Kirchentagspräsident Leyendecker ist dies die folgerichtige Reaktion auf das Versagen der Evangelischen Kirche im Nationalsozialismus. Die Tragik dabei: Ohne es zu merken, ist die Kirche mit der Politisierung des Glaubens den „Deutschen Christen“ jener dunklen Epoche näher als der „Bekennenden Kirche“ eines Martin Niemöller oder Dietrich Bonhoeffer.