© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/19 / 28. Juni 2019

Lesereinspruch

Wandel durch Handel

Zu: „Der Bürgerkrieg schlummert ständig in uns“ von Klaus Kunze (JF 25/19)

Leider gibt der Verfasser die Auffassung wieder, daß die Kugelamphorengesittung zu 70 Prozent „aus Nachkommen von Kleinasien eingewanderter Bauern (kulturell Linienbandkeramiker)“ bestanden hätte. Sie seien „inzwischen fast völlig aus unserem Genpool verschwunden“. Denn, aus der nordpontischen Steppe kommend, hätten „Stämme“, die Sprachwissenschaftler als Indogermanen bezeichneten, sie ausgelöscht. Obwohl Marija Gimbutas ihre Steppentheorie zugunsten des Ursprunges in der Majkop-Gesittung ersetzte, leitet sich die Kugelamphorengesittung auch von ihr nicht ab. Vielmehr entwickelten sich der Vorgänger, die Trichterbechergesittung, als auch sie selber einheimisch auf mesolithischer Grundlage in Mitteleuropa heraus. Es handelt sich also nicht um die Ausbreitung der Träger neuer Lebensweisen, sondern vielmehr müssen wir von Akkulturation und Kulturtransfer sprechen. Die Neolithisierung Europas erfolgte nicht durch Einwanderung, sondern die Gesellschaften entwickelten sich über vermittelnde Wechselbeziehungsnetze fort, eben Wandel durch Handel.

Jens Görtzen, Rendsburg