© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/19 / 28. Juni 2019

Leiden wird der Aktiensparer
Finanztransaktionssteuer: Beim Versuch, die internationalen Aktienmärkte zu regulieren, schröpft der Fiskus die Anteilskäufer
Thorsten Polleit

In Abwandlung des Sprichwortes „Wer solche Freunde hat, der braucht keine Feinde mehr“ läßt sich sagen: „Wer solche Finanzminister hat, der braucht keine Feinde mehr.“ Nach französischem Vorbild soll ab 2021 der Erwerb von Aktien mit 0,2 Prozentpunkten auf den Kaufpreis besteuert werden – und zwar in Frankreich, Deutschland, Österreich, Belgien, Griechenland, Italien, Portugal, der Slowakei, Slowenien und Spanien. Betroffen sind Aktien von Unternehmen, die ihren Sitz in einem der teilnehmenden EU-Länder haben, und die eine Marktkapitalisierung von mindestens einer Milliarde Euro aufweisen.

Diese Finanztransaktionssteuer erwächst aus einer tiefsitzenden antimarktwirtschaftlichen Stimmung: Mit ihr soll die „Spekulation“ auf den Finanzmärkten eingedämmt werden. Allerdings gilt die Steuer nur für den Aktienerwerb. Anleihen, Derivate, Rohstoffe und Fremdwährungen, mit denen man ja ebenfalls „spekulieren“ kann, bleiben außen vor.

Unternehmen könnten ins Ausland abwandern

Die Steuer schadet also dem Aktienanleger. Schließlich ist er es, nicht die Banken, der die Zeche zu bezahlen hat. Zum einen verteuert die Steuer – die zusätzlich zu den Bankgebühren zu zahlen sein wird – den Erwerb von Aktien: Für einen gegebenen Anlagebetrag wird man künftig weniger Aktien kaufen können als bisher. Zum anderen wird der Zins- und Zinseszinseffekt, der zugunsten des Anlegers arbeitet, abgebremst: Der erzielbare Endwert der Aktienanlage fällt geringer aus im Vergleich zur Situation, in der nicht besteuert würde.

Aber auch für Unternehmen erweist sich die Finanztransaktionssteuer als nachteilig. Weil die effektive Kaufkraft der Aktienanleger geschmälert wird, fallen die Aktienkurse geringer aus, als sie ohne Finanztransaktionssteuer ausfallen würden. Das aber heißt nichts anders, als daß die Eigenkapitalkosten der betroffenen Firmen künstlich erhöht werden. So übt der Fiskus unweigerlich einen negativen Einfluß auf Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum aus.

Zusätzlich wird der Anreiz für Firmen erhöht, aus dem Euroraum in andere Regionen der Welt abzuwandern – dorthin, wo die Aktienkäufe nicht besteuert werden.

Die Aktiensteuer kommt zusätzlich zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. Auf den Zinsmärkten in Europa ist für die Sparer so gut wie nichts mehr zu verdienen, seit die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen auf beziehungsweise unter die Nullinie gezwungen hat. So weisen alle Schuldpapiere der Bundesrepublik Deutschland bis zu einer Laufzeit von zehn Jahren mittlerweile eine negative Rendite auf. Wer sie kauft, der macht Verluste.

Und weil die Inflation weiter eine deutlich positive Rate hat, büßen auch alle zinslosen Giro-, Termin- und Sparguthaben, die bei Banken gehalten werden – es sind derzeit etwa 3,8 Billionen Euro, die die Deutschen vorhalten – nach und nach ihre Kaufkraft ein. Für viele Deutsche, die gutgläubig auf Zinssparen gesetzt haben, verschlimmert sich folglich die Problematik der Rentenlücke immer mehr – zumal eine Abkehr von der Geldpolitik der Null- und Negativzinsen im Euroraum in den kommenden Jahren, vielleicht sogar in der kommenden Dekade, nicht absehbar ist. Das Problem der Altersarmut wird nicht etwa gelöst, sondern im Gegenteil: Es wird durch die Finanztransaktionssteuer noch gefördert. Kurzum: Die Finanztransaktionssteuer ist ein Übel, ist ein Angriff auf den Sparer. Vor allem für all die Sparer, die selbstbestimmt ihre Altersvorsorge aufbauen wollen, weil sie meinen, daß sie sich bei dieser sprichwörtlich überlebenswichtigen Frage nicht auf den Staat verlassen können.