© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/19 / 28. Juni 2019

Dorn im Auge
Christian Dorn

Kommen Sie mit? Oder muß ich mitkommen?“ Die kongeniale Frage des von den Nationalsozialisten gefürchteten Kabarettisten Werner Finck, mit der dieser die ihn observierenden Gestapo-Leute bloßstellte, stellt sich in den bis auf den letzten Platz besetzten Wühlmäusen nicht. Doch auch so habe ich beim Auftritt des Kabarettisten Uwe Steimle zu tun, um die zahlreichen Analogien und Pointen seines Programms „FeinKOST“ ( www.uwesteimle.de/auftritte ) mitzuschreiben, in dem Steimle an das Motto Werner Fincks erinnert: „Bei Kabarett und Satire gilt das Prinzip: Wer sich getroffen fühlt, ist gemeint.“ Bei den subtropischen Temperaturen des Sonntagabends, einer richtigen „Dämmse“, demonstriert Steimle die Effizienz der sächsischen Sprache und – als gelernter DDR-Bürger – die Dialektik der herrschenden Verhältnisse. So stellt er mit Blick auf den evangelischen Kirchentag fest: „Erst wenn man gegen den Strom schwimmt, merkt man, wieviel Dreck einem entgegenkommt.“ Gleichwohl könnten wir „in diesem Land alles sagen – Sie müssen nur das Richtige denken!“ Dabei besäße der Osten in seiner Skepsis gegenüber Annegret Kramp-Karrenbauer einen Vorsprung, schließlich habe man dort Erfahrung mit Vorsitzenden, die aus dem Saarland stammen. Vernichtender Lächerlichkeit preisgegeben wird Heiko Maas, der offenbar noch immer in Jugendweihe-Maßanzügen stecke, die gleich zu reißen drohten. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer erscheint derweil als Wiedergänger von Egon Krenz. Leider erfährt das zwischendurch eingeflochtene Fazit – „Was hier als ‘Kampf gegen Rechts’ läuft, ist Kampf gegen das eigene Volk.“ – nur einen spärlichen Applaus. Anders wird das, als Steimle sein Publikum bei der „Gnade der frühen Geburt“ packt.


Mit Blick auf seine Kaderakte in der DDR („Querulant, schwierig, unberechenbar“), der zufolge er interniert werden sollte, da er in der Lage sei, eine ganze Kompanie auf seine Seite zu ziehen, zeigt er, was in ihm steckt: So zeitigt das einst der perfiden Indoktrination dienende Pionierlied „Unsere Heimat“ einen ungeheuer subversiven Effekt, als der ganze Saal (nunmehr ohne Steimle) den Schlußrefrain singt. „Und wir lieben die Heimat, die schöne / und wir schützen sie, / weil sie dem Volke gehört, / weil sie unserem Volke gehört.“ Gleiches wiederholt sich beim Lied „Soldaten sind vorbeimarschiert“, als das Publikum aus voller Kehle singt: „Gute Freunde, gute Freunde / Gute Freunde in der Volksarmee. / Sie schützen unsere Heimat / Zu Land, zur Luft und auf der See.“.