© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/19 / 05. Juli 2019

Mitra gegen Rechts
Katholische Kirche: Die deutschen Bischöfe mahnen ihre Gemeinden zum richtigen Umgang mit Populisten / Auch in den eigenen Reihen gibt es Sympathisanten
Gernot Facius

Spötter witzeln seit langem, das Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) in der Bonner Kaiserstraße sei eine gigantische Papierfabrik. Der Ausstoß an „Arbeitshilfen“ und schriftlichen Stellungnahmen zu Gott und der Welt ist allmählich rekordverdächtig. In der vergangenen Woche hat die DBK aufs neue ihren Kritikern Futter gegeben. 

„Dem Populismus widerstehen“ heißt die 73seitige Broschüre zum kirchlichen Umgang mit „rechtspopulistischen Tendenzen“, die von einer Arbeitsgruppe unter Leitung des Professors für Theologische Ethik an der Berliner Katholischen Hochschule für Sozialwesen in Berlin, Andreas Lob-Hüdepohl, vorgelegt wurde. Sie soll, so wünschten es sich der Hamburger Erzbischof Stefan Heße und die Bischöfe Stephan Ackermann (Trier) und Franz-Josef Bode (Osnabrück) die Position der Kirche in der Migrationsfrage verdeutlichen und eine Grenzziehung gegenüber „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“  ermöglichen. 

Merkmal von Populisten seien „innere Verhärtung, angstbesetzte Selbstbezüglichkeit und Untergangsphantasien“. Die Hoffnung der Christen habe eine andere Richtung. „Wer sich von Gott gehalten weiß, kann sich mit ernsthafter Gelassenheit auf die Welt und ihre Herausforderungen einlassen.“ Zudem sei das „Volk“, anders als Populisten Glauben machten, nicht durch biologische Abstammung, geographische, kulturelle oder sprachliche Einheitlichkeit definiert.

Vor allem angesichts der Vorgänge in den Jahren 2015 und 2016 habe sich gezeigt, daß „Rechtspopulisten auch in Deutschland imstande sind, diffuse Ängste und Verunsicherungen zu bündeln“. Sie sprächen dabei ein Publikum „bis weit ins bürgerliche und kirchliche Milieu hinein“ an, sagte Heße. Die Gräben, die das Thema in der katholischen Kirche gezogen hat, sind offenbar tief. Deshalb wollen die drei Bischöfe versuchen, vorsichtig Brücken zu bauen. Mit ihrer „Arbeitshilfe“ verfahren sie bewußt zweigleisig. Auf Anklagen folgen Bekenntnisse zum Dialog mit kritischen Gläubigen. Es sei für sie ein „Anliegen“, ein Gesprächsangebot für alle katholischen Christen zu formulieren – unabhängig von ihrer politischen Auffassung. Denn die Kirche trage auch für jene eine seelsorgliche Verantwortung, die mit rechtspopulistischen Tendenzen sympathisierten.

„Der Schein trügt: Wir stimmen nicht überein“

Journalisten haben gleich bei der Präsentation des Papiers akribisch nachgezählt: 297mal kommt der Begriff „Populismus“ vor, 163mal das Wort „Rechtspopulismus“. Von einem „Linkspopulismus“ ist in dem ganzen Konvolut nirgends die Rede. Den Bischöfen, schrieb ein Kommentator der Katholischen Nachrichtenagentur KNA, müßte das Kunststück gelingen, die migrationskritischen Mitglieder nicht einfach auszugrenzen, sondern Empfehlungen zu geben, wie ein offener und mitunter auch konfliktgeladener Dialog gelingen könne. Kritik am Papier kam unter anderem vom Dresdner Politikwissenschaftler Werner Patzelt, einem der Leiter der sächsischen CDU-Programmkommission: „Es klingt an manchen Stellen so, als ob von Populisten Sorgen geschürt würden, es aber keine Probleme gibt.“

Mit keinem Wort erwähnt das Dokument die AfD. Der Text liest sich indes wie eine Abgrenzung von der Partei, in der auch Katholiken an verantwortlicher Stelle mitwirken. Doch Politikstil und Argumente der AfD vertragen sich für die Bischöfe nicht mit einem gelebten Christentum. Rechtspopulisten gäben zwar vor, daß ihre Positionen mit kirchlichen Positionen übereinstimmten, etwa beim Lebensschutz, dem Wert der Familie oder der Bedeutung des Christentums. „Doch der Schein trügt: Wir stimmen nicht überein“, steht schwarz auf weiß in dem Papier. Zwar möchte man die Motive für den Erfolg der „Populisten“ verstehen, doch Verstehen heiße nicht automatisch Verständnis. 

In ihrer Kritik an Begriffen gehen die Autoren der Arbeitshilfe ziemlich weit. So heißt es etwa: „Ohne die christliche Prägung Europas in Abrede zu stellen, kann man bezweifeln, ob ein ‘christliches Abendland’ in der behaupteten kulturellen und religiösen Homogenität je existiert hat.“ Europa fuße vielmehr auf „Werten, die sich angesichts einer Vielfalt von Kulturen und Glaubensüberzeugungen entfaltet haben“. 

Die lediglich implizit erwähnte AfD meint ihrerseits mit Blick auf die Arbeitshilfe, die Bischöfe seien offensichtlich „Vorurteilen aufgesessen“. Denn insbesondere im Kapitel zum Antisemitismus seien Repräsentanten der AfD „völlig sinnentstellend zitiert“, kritisierte Bundesvorstandsmitglied Joachim Kuhs: Die AfD achte „vollumfänglich die Würde aller Menschen und jeder Christ in der AfD übt sich persönlich und im Rahmen seiner Möglichkeiten zur Gottes- und Nächstenliebe.“ Der Vorsitzende der Christen in der AfD lud die Vertreter der Deutschen Bischofskonferenz zu einem Dialog mit seiner Parteigruppierung ein.