© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/19 / 05. Juli 2019

Radikale Linke im Sinkflug
Griechenland: Kurz vor der Parlamentswahl kann sich Oppositionsführer Kyriakos Mitsotakis Hoffnungen auf einen Erdrutschsieg machen
Dimitrios Papageorgiou

Der Abstieg der griechischen Regierungspartei Syriza (Bündnis der Radikalen Linken) zeichnete sich bereits länger ab. Doch das Ergebnis der Europawahl war nicht nur ein Schock für Ministerpräsident Alexis Tsipras. Sein Bündnis verlor erneut 2,8 Prozentpunkte gegenüber der Wahl 2014 und kam auf nur noch auf 23,8 Prozent. Syriza verlor zudem die zugleich stattfindenden Kommunal- und Regionalwahlen deutlich gegenüber der oppositionellen Nea Dimokratia (ND), die nun in 35 von 48 großen Städten den Bürgermeister stellt.

Die liberal-konservative ND unter Führung von Kyriakos Mitsotakis dagegen legte 10,4 Prozentpunkte (33,1 Prozent) zu. Bereits vor der Wahl im Mai hatte der Oppositionsführer den Premier  aufgefordert, nach einer Niederlage zurückzutreten, wenn er die Wahl verliere. 

Doch der 44jährige zeigt sich weiter kampfbereit. Er werde die Kampfarena nicht verlassen und weiterhin für soziale Gerechtigkeit kämpfen, erklärte er und kündigte Neuwahlen an, die nun am 7. Juli stattfinden. Kurz vor dem Urnengang sehen Meinungsumfragen die ND mit einem klaren Vorsprung vor dem Bündnis der Radikalen Linken.

Was sind die Gründe dafür? Im Vordergrund steht die Haltung in der Mazedonischen Frage. Umfragen in den vergangenen zwei Jahren ergaben, daß cirka 70 Prozent der Griechen gegen die Freigabe des Namens „Mazedonien“ waren. Die Lösung „Nordmazedonien“ war ebenso für sie keine Option.

Obwohl sich Nea Dimokratia von den Großdemonstrationen gegen diese Lösung offiziell fernhielt – die rechtsextreme Goldene Morgenröte war Mitorganisator –, nahmen ND-Abgeordnete daran teil, lobten wie der ehemalige ND-Premier Antonis Samaras den Protest für „Demokratie, Griechenland und unser Recht“ und machten die Konservativen so zum Nutznießer des Unmuts.

Drei Parteien fürchten um Parlamentseinzug 

Doch auch Überbesteuerung, hohe Sozialversicherungsbeiträge, die als zusätzliche Steuern wirken, die indirekte Einziehung von Privateigentum im Zuge der Rekord-Staatsverschuldung in Höhe von 344,7 Milliarden Euro und der Mangel an Investitionen und Entwicklung machen für viele Griechen einen Wechsel von einem sozialistischen zu einem liberalen Regierungsmodell erforderlich. 

Unter dem Motto „weniger Staat, mehr Investitionen“ will Mitsotakis die Probleme lösen. Gerade die Schaffung „hochwertiger neuer Arbeitsplätze“ soll verhindern, daß junge Akademiker weiter scharenweise das Land verlassen. Cirka 400.000 junge Wissenschaftler sind in  den vergangenen zehn Jahren ins Ausland (EU, Großbritannien, USA) gegangen, ein Großteil davon während der fünfjährigen Tsipras-Ära.

Vor allem aber auch müssen sich die Griechen in ihrer Nachbarschaft wieder sicher fühlen können, betont Mitsotakis und kritisiert, daß es der linken Regierung am „politischen Willen“ fehle, sich mit Sicherheitsfragen zu befassen. Der Konservative  verspricht, neue Polizisten einzustellen und deren Ausrüstung zu verbessern.

Laut einer jüngsten Umfrage des Fernsehsenders Skai kann die ND ihren Zehn-Prozent-Vorsprung gegenüber Syriza halten. Skai zufolge wollen 36 Prozent der Befragten der ND ihre Stimme geben, lediglich 27 haben dies für die Tsipras-Bewegung vor. Auf Platz drei folgt die Nachfolgepartei der sozialistischen Pasok namens „Bewegung für den Wandel‘ (KINAL) mit sieben Prozent, gefolgt von der kommunistischen KKE (5 Prozent). Die Dreiprozenthürde fürchten müssen dagegen die rechtsextreme Goldene Morgenröte (Chrysi Avgi), die rechte Griechische Lösung (Elliniki Lysi) sowie die linke MeRa25 des früheren radikal-reformerischen Finanzministers Janis Varoufakis.